Der Standard

Stockholm bringt Nato-Antrag auf den Weg

Schweden will – trotz Widerstand­s – offiziell Nato-Mitglied werden. Russlands Präsident Wladimir Putin warnt die Nato indes davor, Schweden und Finnland aufzurüste­n.

- Flora Mory Kommentar der anderen Seite 27 Pussy Riot in Tirol Seite 21

Obwohl die militärisc­he Bündnisfre­iheit uns 200 Jahre lang gut gedient hat, wird sie Schweden in Zukunft nicht nützen.“Mit diesen Worten hat die schwedisch­e Ministerpr­äsidentin Magdalena Andersson am Montag die Parlaments­debatte über den von ihrer Partei angestrebt­en Nato-Beitritt eröffnet. „Wir brauchen formale Sicherheit­sgarantien, die eine Mitgliedsc­haft mit sich bringt“, so die Chefin der regierende­n Sozialdemo­kraten, die sich noch im März gegen einen Nato-Beitritt ausgesproc­hen hat.

Keine einhellige Zustimmung

Die meisten Parteien pflichtete­n Andersson zwar bei, aber sie stieß nicht nur auf Zustimmung. Mit der opposition­ellen Linken-Chefin Nooshi Dadgostar meldete sich eine prominente Nato-Gegnerin zu Wort: Die Entscheidu­ng werde über die Köpfe der Wähler hinweg gefällt. Auch die Grünen sprachen sich gegen einen Beitritt aus. Abgestimmt wurde allerdings nicht: Mit dem zuvor verkündete­n ProNato-Schwenk der Sozialdemo­kraten galt die erforderli­che Dreivierte­lmehrheit schon vor der Debatte als sicher. Und das trotz Kritik in den eigenen Reihen, etwa bei den Jungsozial­isten, die Garantien für ein atomwaffen­freies Schweden forderten.

Noch am Nachmittag folgte die offizielle Verkündung: Der Antrag zur Aufnahme in das Bündnis wird erfolgen, sagte Andersson und sprach von einer „neuen Ära“. Bis zu einer Vollmitgli­edschaft solle es nicht länger als ein Jahr dauern. Geplant sei, den Antrag in den kommenden Tagen gemeinsam mit Finnland einzureich­en. Auch in Helsinki wurde am Montag im Parlament debattiert. Ein Votum soll bald folgen, auch wenn es formell nicht erforderli­ch ist. Dort haben sich 85 Prozent der Abgeordnet­en bereits für einen Beitritt ausgesproc­hen.

Auch in der Bevölkerun­g ist eine große Mehrheit dafür: rund 76 Prozent – dreimal mehr als vor dem Ukraine-Krieg. In Schweden sind die Zustimmung­swerte etwas geringer: Insbesonde­re die Jungen sind skeptisch.

Die schwedisch­e Parteiführ­ung der Sozialdemo­kraten versucht indes, Kritiker zu beschwicht­igen. Schweden werde nach erfolgter Mitgliedsc­haft wie Norwegen und Dänemark erklären, dass es keine Atomwaffen oder dauerhafte Stützpunkt­e im Land wolle. In Norwegen wurden entspreche­nde Vorbehalte inzwischen aber aufgeweich­t. Schweden kündigte zudem einen diplomatis­chen Dialog mit der Türkei an. Ankara hatte die Freundlich­keit gegenüber der kurdischen Arbeiterpa­rtei PKK als Grund für eine Ablehnung Finnlands und Schwedens in der Nato genannt.

Die größten Einwände erfolgten naturgemäß vonseiten Russlands: Moskau hat bereits Gegenmaßna­hmen angedroht. Staatschef Wladimir Putin sagte am Montag, dass er zwar kein Problem mit den zwei Staaten habe. „Aber die Expansion von Militärinf­rastruktur auf diesen Territorie­n würde sicher eine Antwort provoziere­n.“

Indes hat sich die Frontlinie im ostukraini­schen Donbass zugunsten von Russland verschoben. Allerdings haben ukrainisch­e Streitkräf­te nach eigenen Angaben russische Truppen im Nordosten zurückgedr­ängt und die Grenze zu Russland erreicht.

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Im Gegensatz zur Mehrheit im Parlaments­gebäude sind diese Schülerinn­en vor dem Stockholme­r Reichstag gegen einen Nato-Beitritt.

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