Stockholm bringt Nato-Antrag auf den Weg
Schweden will – trotz Widerstands – offiziell Nato-Mitglied werden. Russlands Präsident Wladimir Putin warnt die Nato indes davor, Schweden und Finnland aufzurüsten.
Obwohl die militärische Bündnisfreiheit uns 200 Jahre lang gut gedient hat, wird sie Schweden in Zukunft nicht nützen.“Mit diesen Worten hat die schwedische Ministerpräsidentin Magdalena Andersson am Montag die Parlamentsdebatte über den von ihrer Partei angestrebten Nato-Beitritt eröffnet. „Wir brauchen formale Sicherheitsgarantien, die eine Mitgliedschaft mit sich bringt“, so die Chefin der regierenden Sozialdemokraten, die sich noch im März gegen einen Nato-Beitritt ausgesprochen hat.
Keine einhellige Zustimmung
Die meisten Parteien pflichteten Andersson zwar bei, aber sie stieß nicht nur auf Zustimmung. Mit der oppositionellen Linken-Chefin Nooshi Dadgostar meldete sich eine prominente Nato-Gegnerin zu Wort: Die Entscheidung werde über die Köpfe der Wähler hinweg gefällt. Auch die Grünen sprachen sich gegen einen Beitritt aus. Abgestimmt wurde allerdings nicht: Mit dem zuvor verkündeten ProNato-Schwenk der Sozialdemokraten galt die erforderliche Dreiviertelmehrheit schon vor der Debatte als sicher. Und das trotz Kritik in den eigenen Reihen, etwa bei den Jungsozialisten, die Garantien für ein atomwaffenfreies Schweden forderten.
Noch am Nachmittag folgte die offizielle Verkündung: Der Antrag zur Aufnahme in das Bündnis wird erfolgen, sagte Andersson und sprach von einer „neuen Ära“. Bis zu einer Vollmitgliedschaft solle es nicht länger als ein Jahr dauern. Geplant sei, den Antrag in den kommenden Tagen gemeinsam mit Finnland einzureichen. Auch in Helsinki wurde am Montag im Parlament debattiert. Ein Votum soll bald folgen, auch wenn es formell nicht erforderlich ist. Dort haben sich 85 Prozent der Abgeordneten bereits für einen Beitritt ausgesprochen.
Auch in der Bevölkerung ist eine große Mehrheit dafür: rund 76 Prozent – dreimal mehr als vor dem Ukraine-Krieg. In Schweden sind die Zustimmungswerte etwas geringer: Insbesondere die Jungen sind skeptisch.
Die schwedische Parteiführung der Sozialdemokraten versucht indes, Kritiker zu beschwichtigen. Schweden werde nach erfolgter Mitgliedschaft wie Norwegen und Dänemark erklären, dass es keine Atomwaffen oder dauerhafte Stützpunkte im Land wolle. In Norwegen wurden entsprechende Vorbehalte inzwischen aber aufgeweicht. Schweden kündigte zudem einen diplomatischen Dialog mit der Türkei an. Ankara hatte die Freundlichkeit gegenüber der kurdischen Arbeiterpartei PKK als Grund für eine Ablehnung Finnlands und Schwedens in der Nato genannt.
Die größten Einwände erfolgten naturgemäß vonseiten Russlands: Moskau hat bereits Gegenmaßnahmen angedroht. Staatschef Wladimir Putin sagte am Montag, dass er zwar kein Problem mit den zwei Staaten habe. „Aber die Expansion von Militärinfrastruktur auf diesen Territorien würde sicher eine Antwort provozieren.“
Indes hat sich die Frontlinie im ostukrainischen Donbass zugunsten von Russland verschoben. Allerdings haben ukrainische Streitkräfte nach eigenen Angaben russische Truppen im Nordosten zurückgedrängt und die Grenze zu Russland erreicht.