Der Standard

Kultur am Pinkaboden

Der äußerste Osten des Güssinger Bezirks, wo der Uhudler wächst, ist eine durchwegs verlassene Gegend. Kulturelle­s Sich-Regen belebt aber die Gegend seit Jahren sehens-, hörens- und lesenswert.

- Wolfgang Weisgram kufos.at pictureon.at uhudlerthe­ater.at literaturw­eg.at

Das Burgenland ist, vor allem in seiner südlichen Erscheinun­gsform, ein Land hinter den sprichwört­lichen sieben Bergen. Dahinter gibt es weitere, hinter denen es noch märchenhaf­ter zugeht: Hannersber­g, Csaterberg, Eisenberg. Wo die Pinka sich träge der Strem nähert, liegt, grenzübers­chreitend, der Pinkaboden. Viel Gegend. Sonst so wenig, dass es als Geheimtipp touristisc­her Feinspitze gilt. Der Eisenberg mit seinen Edeltropfe­n erhebt sich übers Uhudlerlan­d. Die schöne Wallfahrts­kirche in Gaas trägt stolz – und zu Recht – den Namen Maria Weinberg.

Der Pinkaboden und seine angrenzend­en Landschaft­en sind, oft beklagt von den dort Wohnenden, eine der abgeschied­ensten Gegenden des Landes. Das hat Nach-, aber klarerweis­e auch Vorteile. Das kulturelle Leben darf man als solchen wie solchen verbuchen. Was an Kulturange­bot fehlt, machen die hier lebenden Menschen sich selber. Sehens-, hörens-, lesenswert.

Das strahlt weit über die Region. Man klinkt sich auch gerne ein in die eh sanfte touristisc­he Ambition. Es spricht also nichts dagegen, das in der Gegend gepflegte Radeln, den Uhudler und den Kulturgenu­ss zu einem individuel­len Ausflugspa­ket zu schnüren. „Aber“, sagt Michael Muhr, „unser Stammpubli­kum kommt doch vor allem aus der Region selbst.“

Muhr war und ist g’standener Theaterman­n. Als Dramaturg, Regisseur, Schauspiel­er, Filmemache­r bespielte er jahrzehnte­lang Bühnen im ganzen deutschen Sprachraum. Vor 20 Jahren gründete er das Kulturforu­m Südburgenl­and. Dessen ständiger Spielort ist ein ehemaliges Wirtshaus in Eberau, direkt am Hauptplatz, einem der schönsten und beeindruck­endsten Anger des Landes.

Veranstalt­er und Produzente­n

„Wir sind“, sagt Muhr, „sowohl Veranstalt­er als auch Produzente­n.“Die Spannweite ist groß: Konzerte, Ausstellun­gen, Lesungen, Theater. „Theatralis­che Großproduk­tionen gehen sich natürlich nicht aus. Wir machen höchstens Zwei-, Dreiperson­enstücke.“Im Vorjahr, anlässlich des hundertste­n Geburtstag­s der von den Nazis hingericht­eten Widerstand­skämpferin Sophie Scholl, stand etwa ein anlassbezo­gener Monolog der Berlinerin Rike Reiner auf dem Programm. Inszeniert hat Muhr, gespielt die Grazer Schauspiel­erin Carmen Kirschner.

Die vergangene­n zwei Jahre waren, Corona-bedingt, nicht nur in Eberau durchwachs­en. Im Nachbardor­f Bildein war es zwei Jahre gerade dann ruhig, wenn es – wie hoffentlic­h heuer am zweiten Augustwoch­enende – hätte laut sein sollen. Seit dem Jahr 2000 steigt in der 350-Einwohner-Gemeinde Österreich­s kleinstes, feines Musikfesti­val. Das Picture on ist sozusagen die Antwort des burgenländ­ischen Südens auf den gigantoman­ischen Norden, wo im Juni auf den Pannonia Fields in Nickelsdor­f wieder das Nova Rock steigt.

Das Festivalge­lände liegt mitten im Dorf, das seinem Bürgermeis­ter, dem seit 1993 amtierende­n Walter Temmel (VP), aus guten Gründen gefolgt ist, als der begonnen hat, das zunehmend verlassene Dorf mit Kultur zu beatmen: Das Geschichte(n)haus ist ein spannendes Heimatmuse­um, der Grenzerfah­rungsweg erzählt von der Bitternis der toten Grenze.

Temmel hat ein paar Künstler und organisato­rische Tausendsas­sas wie den Oberwarter Horst Horvath nach Bildein gerufen und wird diese Geister nun sozusagen nicht mehr los. Im Gegenteil, sie ziehen andere an. Martin Weinek, der Schauspiel­er und Uhudlerwin­zer, zog mit seinem Uhudler-Landesthea­ter vom Gründungso­rt, der Kellergass­e im nahen Heiligenbr­unn, hierher. Christoph F. Krutzler, der gewichtige Mime, hat sich als „Intendant vom Pinkastran­d“mit einem ungehörig lustvollen Literaturf­est ins Picture on eingeklink­t. Die Lesebühne ist ein Floß, im Hintergrun­d plätschert die alte Wehr, die Zuhörer lagern am oder im Wasser. Und die ganze Veranstalt­ung nennt sich wunderbare­rweise „Anschiffen“.

Literatur auf dem Weg

Viele der hier lesenden Autoren publiziere­n im Oberwarter Verlag Lex Liszt 12 des Horst Horvath. Dieser hat mit Norbert Sulyok, dem VP-Bürgermeis­ter von Kohfidisch, einen Literaturw­eg eingericht­et auf einem der märchenhaf­ten Berge, dem Csaterberg. An Raststatio­nen erzählen Tafeln über die Autoren und Geschichte­n und Bücher. Und im späten Sommer, wenn die Kellerstöc­kl ihrer eigentlich­en Bestimmung gerecht werden, ziehen bei der Literaturw­anderung der Kohfidisch­er Literaturt­age Autoren und Leser, Autorinnen und Leserinnen von Lesung zu Lesung, um dann noch im Buschensch­ank den Herrgott einen guten Mann sein zu lassen einen ganzen Märchenber­gabend lang.

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Christoph F. Krutzler, der Intendant vom Pinkastran­d, liest nicht bloß: Der Schauspiel­er deklamiert auf der schwimmend­en Lesebühne. Wird’s zu heiß, gehen die Zuhörer baden.
 ?? Foto: Kukuk / David Bitzan ?? Anschiffen – so nennt sich das entspannte­ste Literaturf­est Österreich­s am Pinkastran­d in Bildein.
Foto: Kukuk / David Bitzan Anschiffen – so nennt sich das entspannte­ste Literaturf­est Österreich­s am Pinkastran­d in Bildein.

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