Yung Hurn, der Sexismus und die Kunstfigur
Die Wiener Festwochen führen ein altes Problem vor
Eines ist klar: Ohne Kunstfiguren, also ohne jene Identitäten, die sich Künstlerinnen und Künstler abseits des zivilen Lebens für ihr Schaffen zulegen, wäre die Popkultur um einiges ärmer. Man stelle sich David Bowie ohne sein Spiel mit wechselnden Masken vor. Oder Lady Gaga oder Falco. Schon zu Zeiten von Hans Hölzel wurde darüber diskutiert, ob sich Kunstfigur und Privatperson voneinander trennen lassen.
Falco selbst blieb da uneindeutig, präferierte einmal dieses, einmal jenes. Dass das vor allem in der Spätphase der Karriere schlimm außer Form geriet, kann man sich auf Youtube gut in Erinnerung rufen: Peinlich wirkt jener Auftritt in einer deutschen NDR-Talkrunde 1992, wo er eine Kritikerin als „Mausi“und „Schatzi“abqualifizierte und die rhetorische Frage in die Runde warf: „Nehmen wir sie heute?“
Zur Eröffnung der Wiener Festwochen traten nun zwei heimische Acts auf, die künstlerisch beide von Falco inspiriert sind. Wenn nun die Band Bilderbuch dessen beste Seiten – die Sprachverliebtheit, die Weltläufigkeit, die große Geste – darstellte, schien der Rapper Yung Hurn die dunklere Kehrseite zu verkörpern: Machismo, Selbstgefälligkeit, die Lust daran, milieubedingte Rückständigkeit zur Kunst zu adeln.
Nicht ohne Grund wurde also im Vorfeld und während der Festwocheneröffnung Kritik laut, Yung Hurn würde mit seinen als sexistisch aufgefassten Texten ein an sich auf politische Korrektheit bedachtes Festival konterkarieren. Als Beispiel wurde der Song Ponny genannt, in dem es heißt, eine Sexpartnerin habe „Wichse auf ihrem Gesicht“und reite „wie ein Ponny“. Im Song Rauch wurde die Zeile „Asia-Bitch heißt Ling-Ling“zudem als rassistisch kritisiert – alles verständliche Gründe, Yung Hurn rundherum abzulehnen. Dass der 27-Jährige aus Wien-Donaustadt in früheren Jahren tatsächlich musikalisch wie inhaltlich Interessanteres als primitiven Pornosprech zu bieten hatte, sei auch erwähnt.
Rap nicht als Einbahnstraße
Nicht ohne Grund aber halten Vertreter des Kunstadels wie Daniel Richter, Lars Eidinger oder Festwochen-Eröffnungsregisseur David Schalko Yung Hurn, der bürgerlich Julian Sellmeister heißt, die Stange: Er wird von seinen Fans (mehrheitlich jung, weiblich und gebildet) als ironische Projektionsfläche verstanden, wo das pubertäre Spiel mit Sex und Drogen stellvertretend für das richtige Leben zelebriert werden kann – so zumindest die Theorie.
Den Song Ponny präsentierte Yung Hurn bei der Eröffnung letztlich in abgemilderter Form. Auf Social Media, wo der Rapper als dadaistischer Troll und großer Selbstparodierer auftritt, ließ er seine Fans hinterher abstimmen, ob er diese „sweet version“veröffentlichen solle. 75 Prozent stimmten mit Ja. Wir haben es also mit einer Figur zu tun, für die die Fanansprache keine Einbahnstraße ist – und mit Fans, die sich sexistischen Inhalten nicht unbedingt gedankenlos hingeben.
Ob man Yung Hurn wirklich die Festwochenbühne hätte bereiten sollen, wird ein Streitfall bleiben. Eines ist aber gelungen: Ohne die Ambivalenz, die Yung Hurn bietet, und die Kritik an ihm würde über Sexismus niemand sprechen. Das sollten wir aber.