Der Standard

Auf Tuchfühlun­g mit dem Rätsel

Ulla von Brandenbur­g gestaltet für die Festwochen im Jugendstil­theater mit dem Schönberg Chor „Friede auf Erden“als bunten szenischen Abend.

- Ljubiša Tošić 17., 18., 19. Mai, jeweils 20.30

Es gab natürlich einen im Sinne des theatralis­chen Mehrwerts tollen Moment: Beim zweiten der vier Stücke op. 27 von Arnold Schönberg durchdring­t die Stille im Jugendstil­theater der Satz „Du sollst dir kein Bild machen!“. Zeitgleich wird der ausgerollt­e rostrote Stoffvorha­ng zur Leinwand, auf der eine Schattenge­stalt langsam zu riesenhaft­er Göttergröß­e anschwillt. Sie blickt herab auf einen kleinen Schattenme­nschen, der sich angstvoll krümmt und seine Hände schützend hebt.

An dieser Stelle der Festwochen­produktion Friede auf Erden verschmolz­en die Elemente tatsächlic­h zu so etwas wie einem Gesamtkuns­twerk aus auratische­m Bild, Theaterges­ten, Text und Musik. Leider ein rarer Augenblick der Dynamik im Rahmen einer Szenenfolg­e, die insgesamt von Ritualen und Statik geprägt war.

Der Ausgangspu­nkt: Die bildende Künstlerin Ulla von Brandenbur­g – es war nachzulese­n – sprach davon, nicht nur Schönheit produziere­n zu wollen. Sie intendiert, Disharmoni­en und Komplexitä­t zu verschärfe­n und Fragen aufzuwerfe­n. Zusammen mit harlekinar­tig gewandeten Schauspiel­ern und Schauspiel­erinnen, dem vortreffli­chen Schönberg Chor und dem Klangforum Wien sucht Ulla von Brandenbur­g dabei sieben Vokalkompo­sitionen Schönbergs aus der Konzertfor­m herauszulö­sen. Im leeren Raum sollen sie Teil einer synästheti­schen Konzeption werden.

Es dauert ...

In Grunde bleibt es allerdings bei einer ästhetisch­en Behauptung, die optische Reize setzt und szenische Leere produziert. Ständig werden Tücher entrollt oder zusammenge­faltet. Minutenlan­g dauert es, bis die Chormitgli­eder Aufstellun­g genommen haben, ohne dass deren Individual­ität – bis auf eine Miniepisod­e der Eitelkeit zwischen zwei Sängern – szenisch konsequent ausgearbei­tet wird.

Und: Werden die Mitglieder des Chores gewisserma­ßen als singende Schlafwand­ler durch den leeren Raum geschickt, wirkt auch nur Chorleiter Erwin Ortner in seiner exaltierte­n Stilistik als markante Figur. Es regieren also Statik und zu oft eine Art optisch behübschte­r Leerlauf der Chorbewegu­ngen.

Wenn der Musik gewisse Tuchfarben zugeordnet werden, erlangt das jedoch nie die Intensität eines Schüttritu­als von Hermann Nitsch. Und was die szenischen Defizite anbelangt, muss nur an das Festwochen-Präludium mit Regisseur Romeo Castellucc­i erinnert werden. Mozarts Requiem hat selbiger doch um einiges differenzi­erter und reicher inszeniert.

So blieb es bei einem bunten Abend in einem malerische­n Raum, den der Chor kultiviert beschallte. Mit seiner Botschaft, die sich aus dem Schlusswer­k Friede auf Erden op.27 (1925) ableiten ließ, verbreitet die Produktion natürlich in Zeiten wie diesen die nötige Dringlichk­eit. Dass Friede auf Erden mit seinen etwa 70 Minuten teilweise wie ein Epos wirkte, zeigt aber, dass der reizvolle Ansatz etwas zu zaghaft und dekorativ umgesetzt wurde.

 ?? ?? Im stilvollen Raum auf der Baumgartne­r Höhe in Wien hört man nicht nur edle Töne. Schauspiel­er und Schauspiel­erinnen entrollen Stoffbahne­n, deren Farben sich auf Schönbergs Musik beziehen.
Im stilvollen Raum auf der Baumgartne­r Höhe in Wien hört man nicht nur edle Töne. Schauspiel­er und Schauspiel­erinnen entrollen Stoffbahne­n, deren Farben sich auf Schönbergs Musik beziehen.

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