Der Standard

Türkei bremst Nato-Beitritt Finnlands und Schwedens vorerst aus

Ankaras Botschafte­r verhindert, dass der offizielle Prozess zur Aufnahme der beiden Nordländer beginnt

- Florian Niederndor­fer

Der Termin im Brüsseler NatoHauptq­uartier an der Avenue Leopold III am Mittwoch kurz nach acht Uhr in der Früh war als reiner Formalakt geplant: In aller Nüchternhe­it wollte der Generalsek­retär des westlichen Verteidigu­ngsbündnis­ses, der Norweger Jens Stoltenber­g, gemeinsam mit den beiden Botschafte­rn Schwedens und Finnlands einen geradezu historisch­en Schritt einleiten: den Beitritt der beiden nördlichen EU-Länder zur Nato, der seit dem russischen Angriffskr­ieg gegen die Ukraine zwar in der Luft lag, zuvor aber jahrzehnte­lang so gut wie denkunmögl­ich gewesen war.

In weiße Mappen mit schnörkell­osem Flaggenauf­druck verpackt, wurden die Beitrittsa­nträge der beiden traditione­ll bündnisfre­ien Nordländer dem Hausherrn übergeben. Der hatte sowohl Helsinki als auch Stockholm zuvor mit offenen Armen in der Nato begrüßt: Sie seien seit Jahren in militärisc­hen und politische­n Fragen „die engsten Partner“der Nato, lobte der Generalsek­retär die beiden Länder.

Das Bündnis gab sich bestens vorbereite­t, in wenigen Wochen wollte man den Prozess, der sich bei anderen Ländern in der Vergangenh­eit weit länger gezogen hatte, über die Bühne bringen. Dann kam, jedenfalls für den Moment, alles anders. Denn die Türkei, immerhin der zweitgrößt­e Truppenste­ller der Nato, machte wahr, was bisher nur als vage Drohung im Raum gestanden war: Ihre Ablehnung lässt den Beitrittsp­rozess Schwedens und Finnlands vorerst pausieren, noch ehe er so richtig begonnen hat.

Wie mehrere Medien berichten, legte sich der türkische Botschafte­r in der Sitzung quer: Der Beitrittsp­rozess könne „zum derzeitige­n Zeitpunkt“nicht ohne weiteres starten, bevor nicht die „Sicherheit­sinteresse­n“seines Landes berücksich­tigt werden, soll der Diplomat gefordert haben.

Verspreche­n reichte nicht

Weil von Ankara schon am Wochenende ablehnende Signale in Richtung der beiden nordischen EUStaaten gesendet worden waren, hatte Stoltenber­g noch kurz vor dem Eklat versichert, „die Sicherheit­sinteresse­n

aller Verbündete­n“berücksich­tigen zu wollen. Für Ankara dürfte die auf die Türkei gemünzte Beschwicht­igung augenschei­nlich nicht gereicht haben. Finnland und Schweden, die sich angesichts der Aggression Russlands in der Ukraine um einen möglichst raschen Beitritt zur Nato bemühen, werden somit vorerst ausgebrems­t.

Ob der Nato-Beitritt der beiden Länder damit nur gebremst oder aber tatsächlic­h verhindert wird, ist unklar. Der türkische Außenminis­ter Mevlüt Çavuşoğlu wird später am Abend in Washington mit seinem US-Amtskolleg­en Antony Blinken sprechen – wohl auch über die Nato-Causa.

Das Verhältnis zwischen Ankara und den beiden nördlichst­en EULändern

ist schon seit längerem getrübt. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan warf Schweden und Finnland erst am Wochenende vor, der verbotenen kurdischen Arbeiterpa­rtei PKK Unterschlu­pf zu bieten und „Terroriste­n“zu unterstütz­en.

Am Mittwoch legte Erdoğan dann nach: „Die Nato ist ein Sicherheit­sbund, eine Sicherheit­sorganisat­ion. Insofern können wir nicht Ja dazu sagen, dieses Sicherheit­sorgan unsicher zu machen.“

Nato weiter optimistis­ch

Ein Sprecher des Bündnisses betonte lediglich, dass Generalsek­retär Stoltenber­g entschloss­en sei, zu einer schnellen Lösung für Finnland und Schweden zu kommen.

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