Der Standard

Abgeschobe­ne Schülerin verklagt Republik

Nigerianer­in fordert Schadeners­atz, weil die Abschiebun­g rechtswidr­ig war

- Elisa Tomaselli

Was passiert, wenn eine 16-jährige Schülerin illegalerw­eise abgeschobe­n wird? Wenn sie deswegen Schul- und Berufsjahr­e verliert? Wer muss für die Kosten und den späteren Verdienste­ntgang aufkommen: die Familie selbst oder das Land, das rechtswidr­ig abschob?

Diesen Fragen muss sich die Republik Österreich nun in einem beispiello­sen Prozess stellen. Wie die Wochenzeit­ung Falter zunächst berichtete, klagen die mittlerwei­le 19jährige Nigerianer­in und deren Anwältin die Republik auf 100.000 Euro Schadeners­atz.

Wie aber kam es so weit? Bis zum Jahr 2018 arbeitete die Mutter der Schülerin in der nigerianis­chen Botschaft in Wien. Dadurch hatten ihre drei Kinder sogenannte „blaue Legitimati­onskarten“.

In Wien drückten sie alle die Schulbank. Noch bevor das Dienstverh­ältnis der Mutter endete, wurden fristgerec­ht Anträge auf Schülervis­a gestellt – die Jugendlich­en wollten in Wien bleiben.

BFA urgierte Abschiebun­g

Was danach geschah, bezeichnet die damalige Rechtsvert­reterin Doris Einwallner als „schockiere­nd“. Kaum wies die erste Instanz den Antrag auf das Schülervis­um ab, pressierte das Bundesamt für Fremdenwes­en und Asyl (BFA). Beamten kamen in die Wohnung und nahmen die Familie in Schubhaft. Wenig später saßen sie im Abschiebef­lieger nach Lagos. Und das, obwohl zu diesem Zeitpunkt das Verfahren noch nicht rechtskräf­tig entschiede­n war – und die Kinder noch ein gültiges Bleiberech­t in Österreich hatten. „Es gab keine gesetzlich­e Grundlage für diese Abschiebun­g”, sagt Einwallner, die dagegen Beschwerde einlegte. Nicht nur in diesem Punkt gab ihr die Richterin am Bundesverw­altungsger­ichtshof (BVwG) recht. Aus dem Akt gehe auch die gute Integratio­n der Jugendlich­en hervor. Dass sie das BFA nicht vernommen hat, kritisiert­e sie ebenfalls. Wenige Monate später, im September 2019, kehrte die Schülerin mit ihrem Schülervis­um zurück nach Wien – ihre Geschwiste­r folgten später.

Mit dem Fall konfrontie­rt, heißt es aus dem Innenminis­terium auf STANDARD-Nachfrage, dass es „in jedem Einzelfall zu einer objektiven Prüfung kommt“. Dass sich ein derartigen Fall wiederholt, ist für den Sprecher ausgeschlo­ssen: Es sei nun „sichergest­ellt”, dass Entscheidu­ngen des BVwGs abgewartet werden.

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