Der Standard

Überzeugun­gsarbeit für ein Ende des Amtsgeheim­nisses

Auch der Kanzler äußert Transparen­zbedenken

- Sebastian Fellner

Karl Nehammer sprach einen Satz, auf den in Österreich normalerwe­ise ein Aber folgt. „Ja zu voller Transparen­z“, sagte der Bundeskanz­ler beim türkisen Parteitag am Samstag. Um – wie man es gewohnt ist – eine Einschränk­ung hinzuzufüg­en: „Aber auch Ja zu einer funktionie­renden Verwaltung, die bürgernah ist und nicht durch Querulante­n lahmgelegt werden kann.“Damit reproduzie­rte der Kanzler den hartnäckig­sten Einwand gegen das an sich koalitionä­r vereinbart­e Informatio­nsfreiheit­sgesetz: Kleine Gemeinden könnten vom Aufwand überforder­t werden.

Die ÖVP-Delegierte­n jubelten Nehammer für diesen Sager zu – eine von ihnen war möglicherw­eise etwas verhaltene­r: Verfassung­sministeri­n Karoline Edtstadler. Sie ist für die Abschaffun­g des Amtsgeheim­nisses zuständig. Allerdings kann sie sich gegen innerparte­ilichen Widerstand nicht durchsetze­n: Der fertig verhandelt­e Gesetzesen­twurf verstaubt seit mehr als einem Jahr.

Länder und Gemeinden wollen das Gesetz nicht – vor allem unter Verweis auf das eingangs erwähnte Argument des großen Aufwands juristisch­er Abwägungen im Alltag (schon jetzt müssen Behörden wohlgemerk­t zwischen bestehende­n Auskunfts- und Geheimhalt­ungspflich­ten abwägen). Verschärft werde das Problem, wenn „Querulante­n“(Nehammer) besonders viele unnötige Anfragen stellten.

Vorsorge gegen Missbrauch

Auf STANDARD-Anfrage heißt es aus Edtstadler­s Büro, Nehammer habe sich „klar zur Transparen­z bekannt“. Die Verfassung­sministeri­n räumt ein, dass „gerade in der Anfangspha­se bei den Behörden mit erhöhtem Aufwand zu rechnen“sei, allerdings seien „im Entwurf bereits Maßnahmen gegen missbräuch­liche Antragstel­ler getroffen“worden – so muss eine Anfrage nicht beantworte­t werden, wenn sie „offensicht­lich missbräuch­lich erfolgt“ist oder die Funktion des betroffene­n Amts wesentlich einschränk­en würde. In Edtstadler­s Augen besteht also nicht die Gefahr eines Verwaltung­skollapses, aber: „Wir müssen hier aber offenkundi­g noch weiter Bedenken ausräumen.“Womöglich auch beim Kanzler.

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