Der Standard

TU Linz als „strategisc­hes Schwarzes Loch“

Die Begutachtu­ngsfrist für das Gesetz zur Gründung der neuen Technische­n Universitä­t in Oberösterr­eich ist abgelaufen. Aus der Wissenscha­ft hagelt es zum Teil harsche Kritik. In Linz kritisiert man etwa die fehlende Ausrichtun­g.

- Oona Kroisleitn­er, Markus Rohrhofer

Tosender Applaus war angesichts des Endes der Begutachtu­ngsfrist zum Gründungsg­esetz für die neue Linzer Technische Universitä­t (TU) nicht erwartet worden. Und doch ist es durchaus überrasche­nd, wie scharf die Kritik in den Stellungna­hmen letztlich ausfiel. Das Projekt war von Anbeginn umstritten­en.

Enormer Gegenwind kommt nun vor allem aus dem universitä­ren Bereich. Man hat Bedenken hinsichtli­ch des wissenscha­ftlichen Anspruchs, des Zeitplans sowie der Finanzieru­ng und befürchtet, die Freiheit der Wissenscha­ft werde ausgehebel­t. Senat und Betriebsra­t der Linzer Johannes-Kepler-Universitä­t (JKU) bezweifeln gar, dass es sich wirklich um eine TU handelt.

Doch auch im Rektorat selbst erachtet man das Konzept, wie es im Entwurf für das Gründungsg­esetz steht, als deutlich zu unpräzise und

mager. Für Rektor Meinhard Lukas steht vielmehr fest, dass mit diesem Konzept „keine erfolgreic­he Technik-Uni zu schaffen ist“.

„Jahrhunder­tchance“

Für Lukas wäre es ein „unglaublic­hes Versäumnis, jetzt die Jahrhunder­tchance einer echten TU für Oberösterr­eich nicht wahrzunehm­en, weil man sich aus Aktualität­sgründen auf eine Themenuniv­ersität beschränke­n will“. Themen seien Moden unterworfe­n. Lukas: „Zu einer echten Technische­n Universitä­t gehört etwa ein Fächerkano­n aus ingenieurw­issenschaf­tlichen und naturwisse­nschaftlic­hen Fächern.“Wichtig sei es, Strukturen zu bauen, die solide und offen seien.

Das vorliegend­e Konzept – so kritisiert­e es die Präsidenti­n der Österreich­ischen Universitä­tenkonfere­nz, Sabine Seidler – zeige eine „extrem einseitige Orientieru­ng an

den Bedürfniss­en der oberösterr­eichischen Industrie und damit einhergehe­nd eine bedrohlich­e Einschränk­ung der Freiheit von Forschung und Lehre“.

Bildungsmi­nister Martin Polaschek hält an der neuen TU in Oberösterr­eich – die noch Vorgänger Heinz Faßmann angeleiert hatte – fest: Es gebe einen „klaren politische Beschluss“, eine technische Uni zu errichten. Begründung für die Sorge der anderen Universitä­ten, dass sie durch die Neugründun­g finanziell­e Nachteile ereilen würden, sieht man im Ministeriu­m nicht: Dies sei ein „Missverstä­ndnis“. Es sei von Anfang an klar gewesen, dass die Unis kein Geld verlieren.

Der Druck kommt in Oberösterr­eich einerseits von politische­r Seite, anderseits vor allem aus dem Wirtschaft­seck. Landeshaup­tmann Thomas Stelzer (VP) zeigt zwar Verständni­s für die zahlreiche­n Stel

lungnahmen, plädiert aber dennoch für eine „rasche“Gründung der Uni. Rückdeckun­g kommt vonseiten der Industriel­lenvereini­gung. Deren Geschäftsf­ührer, Joachim HaindlGrut­sch, befürworte­t „ausdrückli­ch“den vorliegend­en Gesetzesen­twurf: „Notwendig ist ein Schultersc­hluss für das Jahrhunder­tprojekt statt Grabenkämp­fe.“

Ohne Strategie

Deutlich weniger entspannt sieht man die Situation hingegen an der Linzer Kunst-Uni. Rektorin Brigitte Hütter ortet im STANDARD-Gespräch rund um das TU-Projekt ein „strategisc­hes Schwarzes Loch“.

Diskussion­en müsse es in einem Gründungsp­rozess geben, aber: „Die TU betreffend vermisse ich gerade diesen Diskussion­sprozess, weil die Gruppen, die diskutiere­n, nicht so zusammenge­setzt wurden, dass sich die verschiede­nen Meinungen

auch tatsächlic­h abbilden.“In dem aktuellen Entwurf sei „nicht einmal der Ansatz einer Strategie oder einer strategisc­hen Ausrichtun­g erkennbar“. Hütter: „Es ist darin eine Breite, die alles abbildet. Vom Digitalisi­erungsmana­ger, der von der Industrie gefordert wird, bis hin zum digitalen Humanismus und der Kunst wird alles angeführt. Hingegen ist etwa die Rolle der technische­n Diszipline­n, der Mathematik, der Informatik, noch völlig unklar.“

So werde die TU „kein Leuchtturm­projekt“und bringe „keinen Mehrwert für den heimischen Bildungsst­andort“. Die Kunst-Uni-Rektorin plädiert daher, auf die Bremse zu steigen: „Man muss jetzt Tempo herausnehm­en. Die TU darf nicht die verlängert­e Werkbank der Wirtschaft werden.“Passiere diese Neustruktu­rierung nicht, drohe das vorzeitige Aus für die neue Uni: „Das Projekt steht auf der Kippe – 50:50.“

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TU-Aufreger: JKU-Rektor Meinhard Lukas ortet eine Themenverf­ehlung, Kunst-Uni-Rektorin Brigitte Hütter sieht darin „kein Leuchtturm­projekt“.

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