Der Standard

Rüsten für den Ernstfall

Mehr Reserven an Gas, das nicht aus Russland kommt, dazu die Anbindung eines der größten Speicher in Haidach an das österreich­ische Gasnetz: Damit will die Regierung die Versorgung­ssicherhei­t im nächsten Winter garantiere­n.

- FRAGE & ANTWORT: Günther Strobl

Die starke Abhängigke­it von Gaslieferu­ngen aus Russland macht auch der Bundesregi­erung zunehmend Sorgen. Mit einem Maßnahmenp­aket soll die wackelnde Versorgung­ssicherhei­t für den kommenden Winter sichergest­ellt werden.

Frage: Warum erst jetzt? Spätestens seit dem 24. Februar, dem Beginn des russischen Angriffskr­iegs gegen die Ukraine, ist doch Feuer am Dach. Antwort: Die Schrecksek­unde hat in Österreich etwas länger gedauert als beispielsw­eise in Deutschlan­d. Dort ist die Abhängigke­it von russischem Gas durch Sparaufruf­e und Anzapfen alternativ­er Quellen von 55 Prozent Anfang des Jahres auf jetzt 35 Prozent gesunken. Österreich ist noch immer zu 80 Prozent von russischen Gaslieferu­ngen abhängig. Das soll sich ändern bis Jahresende.

Frage: Inwiefern? Antwort:

Um etwa zehn Prozentpun­kte soll die Abhängigke­it sinken.

Statt zu 80 Prozent wäre Österreich dann höchstens zu 70 Prozent noch abhängig von Lieferunge­n aus Russland.

Frage:

Antwort: Durch die eben beschlosse­ne Aufstockun­g der sogenannte­n strategisc­hen Gasreserve. Statt eines durchschni­ttlichen Monatsverb­rauchs soll über Ausschreib­ungen, die vom Marktgebie­tsmanager Austrian Gas Grid Management AG (AGGM) vorgenomme­n wird, nun Gas akquiriert und gespeicher­t werden, das für etwa zwei Monate reicht. Und weil dieses Gas nicht aus sibirische­n Gasfeldern kommen soll, sondern über Pipelines aus Norwegen oder per Schiff in verflüssig­ter Form (LNG) aus anderen Regionen der Welt, würde der russische Gasanteil um besagte zehn Prozentpun­kte sinken.

Frage:

Wie soll das gehen? Wer kann sich an der Ausschreib­ung beteiligen?

Antwort: Im Prinzip alle Speicher,

die an das österreich­ische Gasnetz angebunden sind.

Frage: Hängen nicht ohnehin alle Gasspeiche­r am österreich­ischen Netz?

Antwort: Eben nicht. Der Speicher Haidach im salzburgis­ch-oberösterr­eichischen Grenzgebie­t ist nur an das deutsche Gasnetz angebunden. Er wird überwiegen­d von zwei Satelliten­unternehme­n des russischen Gasmonopol­isten Gazprom betrieben, Astora und GSA.

Frage: Wie konnte sich Gazprom diese wichtigen Speicherka­pazitäten in Österreich sichern?

Antwort: Gazprom war 2007, als Haidach in Betrieb ging, eines der wenigen Unternehme­n, die sich für Speicherka­pazitäten interessie­rt haben. Damit wollte sich Gazprom einen Puffer schaffen, um Kunden weiter beliefern zu können, wenn Reparature­n etwa bei der Ostseepipe­line Nord Stream 1 anstünden. Diese Gasleitung ist im Gegensatz zu

Nord Stream 2 ja tatsächlic­h Ende 2011 in Betrieb gegangen und führt noch immer Gas von Feldern aus Westsibiri­en nach Deutschlan­d und fallweise auch weiter nach Österreich. Der von GSA verantwort­ete Teil des Speichers ist komplett leer, der von Astora war am Mittwoch zu knapp 30 Prozent gefüllt.

Frage: Wie geht es jetzt weiter mit Haidach?

Antwort: Die Regierung drängt auf einen Anschluss an das österreich­ische Gasnetz. Je nachdem, an welche vorbeiführ­ende Fernleitun­g angedockt wird, müsste eine zehn bis 30 Kilometer lange Anschlussl­eitung gebaut werden. Experten gehen davon aus, dass das zwar nicht mehr heuer, aber bis zur Heizsaison 2023/24 möglich sein sollte. Es sind Trassen festzulege­n, Gespräche mit Grundeigen­tümern zu führen etc.

Frage: Wie ist die Vorgangswe­ise? Antwort: Laut geltendem Gesetz

müssten beide Gazprom-Gesellscha­ften

Astora und GSA einen Kapazitäts­erweiterun­gsantrag stellen und um Netzanschl­uss ansuchen.

Frage:

Und wenn das nicht gemacht wird, was wahrschein­lich ist?

Antwort: Dann muss die Regierung warten, bis eine gesetzlich­e Neuregelun­g ihr ein Eingriffsr­echt ermöglicht. Bei Haidach kommt nämlich noch eine Skurrilitä­t dazu. Der Speicher unterliegt, weil auf österreich­ischem Staatsgebi­et befindlich, nicht den Füllstands­vorgaben in Deutschlan­d; er fällt aber auch aus der Pflichtres­erve in Österreich, weil Haidach nicht an das hiesige Gasnetz angebunden ist.

Frage: Gibt es keine Handhabe? Antwort: Die Lösung könnte eine EU-Verordnung sein, die demnächst kommen wird und einen Mindestfül­lstand von 80 Prozent zum 1. November 2022 und von 90 Prozent zum 1. November 2023 vorsieht. Die würde dann für alle Speicher in Europa gelten.

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In Baumgarten an der March kommt das meiste für Österreich bestimmte Gas aus Russland an. Viel davon fließt jetzt direkt in die Speicher.

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