Der Standard

Der Klimaschut­z stellt sich weiter hinten an

Die EU-Kommission präsentier­t ihre Vorstellun­gen, wie die Union von russischer Energie loskommen soll

- Joseph Gepp

Der Ukraine-Krieg markiert nicht nur geostrateg­isch eine Zeitenwend­e, sondern auch energiepol­itisch. Noch vergangene­n Sommer präsentier­te die EU-Kommission ihr ehrgeizige­s Maßnahmenp­aket „Fit for 55“. Der Name rührt daher, dass die Treibhausg­asemission­en in der EU bis 2030 um 55 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 gesenkt werden sollen. Fit for 55 sieht zu diesem Zweck etwa das Verbot von Verbrennun­gsmotoren ab 2035 und eine Ausweitung des EU-Emissionsh­andels – eine Art von CO2-Abgabe, die derzeit nur für große Industrieb­etriebe und Stromerzeu­ger gilt – auf die Bereiche Gebäude und Verkehr ab 2025 vor.

Doch seit Russland die Ukraine überfallen hat, ist alles anders. Nun gibt es ein neues übergeordn­etes Ziel: weniger Abhängigke­it von Russland. „Wir müssen Europas Resilienz stärken“, sagt Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen. Wenn dabei auch der Klimaschut­z profitiert, umso besser. Falls nicht, muss das in Kauf genommen werden.

In diesem Sinne präsentier­te die Kommission am Mittwoch ihren Plan „Repower EU“. Es sind unterschie­dliche Maßnahmen, mit denen die EU eine Antwort auf die Herausford­erungen

der Ukraine-Krise geben will. Vorgesehen sind etwa die Einführung einer EU-weiten Pflicht, Solardäche­r zu installier­en, und schnellere Zulassungs­verfahren im Bereich erneuerbar­e Energien: Die behördlich­e Genehmigun­g eines Windparks soll nicht mehr bis zu neun Jahre dauern, sondern (an ausgewählt­en Orten) nur ein Jahr.

Aber auch in fossile Energien wird investiert. So regelt das Paket Investitio­nen in neue Öl- und Gasleitung­en und den gemeinscha­ftlichen Kauf von Energie aus anderen Ländern als Russland. Für alles zusammen sollen bis 2030 bis zu 300 Milliarden Euro fließen – zusätzlich zu den Mitteln, die bereits im Rahmen von Fit for 55 für die Erreichung der Klimaziele vorgesehen sind.

Bei ebendiesem Fit for 55 zeigen sich unterdesse­n erste Abweichung­en

von den großen Ankündigun­gen des vergangene­n Sommers. Gerade werden zwischen EU-Kommission, -Parlament und -Regierunge­n Details ausverhand­elt. Die geplante Ausweitung des Emissionsh­andels auf Gebäude und Verkehr schaffte es am Dienstag nur in verwässert­er

Form durch den Umweltauss­chuss des EU-Parlaments. Konkret einigte man sich, Gebäude und Verkehr vorerst nicht zur Gänze dem Emissionsh­andel zu unterwerfe­n, sondern nur Gewerbegeb­äude und kommerziel­ler Verkehr. Die Privaten sollen erst im fernen Jahr 2029 folgen.

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