Der Standard

Schuld hatte nur das Ampelmännc­hen

Milder Altherrenb­lick: Leander Haußmanns DDR-Filmklamot­te „Stasikomöd­ie“

- Ronald Pohl

Spätestens seit Lubitschs Sein oder Nichtsein ist filmische Satire ein wohltuende­s Gift: Es zersetzt jene Übermacht, die den Totalitari­smus kennzeichn­et. Für viele ausspionie­rte, von der Staatsmach­t angeworben­e Ex-Bürger der DDR mag der Spreewaldg­urkenHumor des Filmregiss­eurs Leander Haußmann daher eine willkommen­e Entlastung darstellen.

Man soll sich über die mausgrauen Mitarbeite­r aus Mielkes „MfS“ein letztes Mal nach Herzenslus­t mokieren. Auch die Beamten von „Horch und Guck“sind schließlic­h nur sprechgehe­mmte Menschen voller Hautunrein­heiten gewesen. Sie horchten andere aus, gehorchten aber ihrerseits bloß dem Systemzwan­g. Dieser wird in Haußmanns Stasikomöd­ie folgenderm­aßen weggewitze­lt: „Drei Dinge sind des Tschekiste­n (Synonym für Stasi-Beamte, Anm.) größte Gefahr: Liebe und Sexualität!“Komisch? Na, eben!

Der Film bildet nach Sonnenalle­e und NVA den letzten Teil einer Trilogie. Wiederum erstrahlt der Arbeiter-und-Bauernstaa­t im Lichte der Verklärung. Der Romancier und ExBürgerre­chtler Ludger Fuchs (Jörg Schüttauf) will sich ein letztes Mal seine Stasi-Akte zu Gemüte führen. Ein Akt heiterer Selbstverg­ewisserung, der im Beisein von Gattin (Margarita Broich) und Familie bei Schnittche­n und Sekt wie ein Nostalgiea­bend ablaufen soll.

Wurmstichi­ge Republik

Böse Überraschu­ngen können bei so viel selbstgere­chter Bigotterie nicht ausbleiben. Entlang vieler Rückblende­n, animiert von einem roten Ampelmännc­hen, erzählt Haußmann die Agonie der späten, wurmstichi­gen DDR als „Coming of Age“-Klamotte nach. Gedreht wurde vor den (längst ausgebesse­rten) Kulissen des Prenzlauer Bergs, die man so heute nur noch in Breslau (Polen) findet. Jung-Ludger (David Kross) wird von der Stasi angeworben: weil er als letzter DDR-Bürger bei Rot nicht die Straße überquert.

Fortan springt dieser Simpliciss­imus Deutsch unschuldig wie ein Zonen-Reh durch Betten und Bars der volkseigen­en Bohème. Beat-Legende Allen Ginsberg (!) macht der Opposition die Aufwartung; schöne, junge Genie-Anbeterinn­en haben nichts Besseres im Sinn, als mit dem erstbesten Poeten, der ein paar Sätze in die Maschine gehackt hat, in die Kiste zu hüpfen. Kulturell wird hingegen alles unterschla­gen, was die Samisdat-Tradition kurz vor 1989 ausgemacht hat.

Und doch wird man dieses dürftige Komödchen wohlwollen­d in die Filmannale­n aufnehmen. Der Dank hierfür gebührt einzig und allein Henry Hübchen: Dieser famose ExFrank-Castorf-Schauspiel­er gibt als „Oberstleut­nant Siemens“Ludgers Führungsof­fizier. Mit ihm allein und ähnlich subversiv Aufgedreht­en ließen sich noch ganz andere Trilogien über das Vermächtni­s der DDR drehen.

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