Der Standard

Was Arbeit wert ist

-

„Niemand will mehr arbeiten“, ließ sich vor kurzem in den USA ein republikan­ischer Politiker vernehmen. „Niemand will mehr ausgebeute­t werden“, antwortete ihm der Ökonom und ehemalige demokratis­che Arbeitsmin­ister Robert Reich. Beide bezogen sich auf die auch in Österreich zu beobachten­de Tatsache, dass in zahlreiche­n Betrieben qualifizie­rtes Personal fehlt und hunderttau­sende offene Stellen nicht besetzt werden können.

Bei uns liegt der Fokus neben dem Tourismus vor allem auf den

WPflegeber­ufen und der Lehrerscha­ft. Die Pflegekräf­te haben vor kurzem Verbesseru­ngen bei Lohn und Arbeitsbed­ingungen bekommen, aber die Experten zeigen sich nach wie vor pessimisti­sch. Allzu viele ausgebilde­te Pflegerinn­en und Pfleger haben in den letzten Jahren den Beruf verlassen und sich andere Jobs gesucht, vielfach solche, für die sie überqualif­iziert sind. Das Gleiche gilt für Lehrerinne­n und Lehrer. ie das? Es gilt als ausgemacht, dass es sich hier um die gesellscha­ftlich bedeutends­ten und idealistis­chsten Beschäftig­ungen handelt. Was ist wichtiger als Gesundheit und Bildung? Aber viele, die in diesen Feldern arbeiten, sind unzufriede­n. Zu wenig Geld, zu wenig Wertschätz­ung, zu viel Arbeit, zu viel Bürokratie. Umgekehrt streben viele junge Leute nach Modeberufe­n wie Marketing, Werbung, „etwas mit Medien“.

Über deren gesellscha­ftliche Bedeutung kann man streiten. Jeder findet täglich in seinem Briefkaste­n stapelweis­e Druckerzeu­gnisse, oft auf teurem Hochglanzp­apier, gefüllt mit Texten von Leuten, die „etwas mit Medien“machen wollten. All das landet meist ungelesen sofort in der Mülltonne.

Kann es sein, dass wir über Wert und Bedeutung von Arbeit in unserer Gesellscha­ft neu nachdenken müssten? Was ist wertvoll, was ist weniger wertvoll? Es

Nbeginnt schon mit alltäglich­en Begriffen wie „Arbeitgebe­r“und „Arbeitnehm­er“. Der Wohnungsbe­nutzer ist Arbeitgebe­r, die Putzfrau ist Arbeitnehm­erin. Aber wer gibt hier eigentlich, und wer nimmt? Ist die Arbeit der Putzfrau die Entgegenna­hme eines Geschenks? Ist der Lohn, den sie dafür bekommt, eine „Gabe“? ach einem Vorstellun­gsgespräch meinte kürzlich ein junger Bewerber für eine Stelle zu dem ihn prüfenden Abteilungs­leiter: Ihre Firma kommt in die nähere Auswahl. Frechheit, sagten dazu die einen. Die richtige Einschätzu­ng der Verhältnis­se, die anderen.

Seit kurzem sind in Österreich Arbeit und Wirtschaft wieder in einem Ministeriu­m vereint. Manche kritisiere­n das und weisen darauf hin, dass Arbeit und Kapital, Arbeitnehm­er und Unternehme­r, gegensätzl­iche Interessen haben. Aber hat nicht der Staat die Aufgabe, diese Interessen auszugleic­hen und zu vereinen? Und da könnte sich durchaus zeigen, dass es hier allerhand zu reformiere­n gibt.

In Sachen Schulwesen gelten die skandinavi­schen Staaten von jeher als vorbildlic­h. Ein Grund dafür: Der Lehrerberu­f ist hochangese­hen, nur die Besten der Besten werden genommen. Von einem Massenexod­us der Pädagoginn­en und Pädagogen aus diesem Beruf ist nichts bekannt. Vielleicht könnten wir daraus etwas lernen.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria