Der Standard

Lettischer Präsident zu Putin: „So infantil kann man nicht sein“

Imperialis­tische Politik dürfe keine Früchte bringen

- Gerald Schubert

Noch spekuliert die Welt darüber, welche Folgen die russische Erklärung über die Annexion von vier ukrainisch­en Gebieten in praktische­r und militärisc­her Hinsicht haben wird (siehe Bericht links). Was jedoch die rechtliche­n Aspekte betrifft, so herrscht weitgehend Klarheit: „Gar keine“, wie es der lettische Präsident Egils Levits am Freitag im Gespräch mit dem STANDARD und der Austria Presse Agentur auf den Punkt brachte.

„Die Erklärung ist völkerrech­tlich und aus Sicht des ukrainisch­en Verfassung­srechts absolut nichtig“, sagte der Jurist, der auf Einladung des Österreich­ischen Verfassung­sgerichtsh­ofs zu einer Tagung in Wien war. Man könne Gebiete eines anderen Staates nicht einfach durch Scheinrefe­renden annektiere­n, so Levits in Anspielung auf die internatio­nal nicht anerkannte­n Abstimmung­en: „Auf diese Art kann man niemanden betrügen. Vielleicht betrügt sich Russland selbst. Aber selbst das glaube ich nicht, so infantil kann man gar nicht sein.“

Lettland ist, wie die beiden anderen baltischen Staaten Estland und Litauen, seit 2004 Mitglied der Nato. Dass nun auch Schweden und Finnland dem transatlan­tischen Bündnis beitreten wollen, sieht Staatschef Levits als „logische Antwort auf die russische Aggression“.

Die Nato-Strategie bestehe in „Verteidigu­ng durch Abschrecku­ng“. Man müsse „militärisc­h so stark sein, dass Russland gar nicht daran denkt, anzugreife­n“, so Levits. Gleichzeit­ig sei es „auch wichtig, der Ukraine zu helfen, ihre territoria­le Integrität wiederherz­ustellen – damit Russland versteht, dass imperialis­tische Politik im 21. Jahrhunder­t keine Früchte bringt“.

Wahl am Samstag

In Lettland, wo am Samstag ein neues Parlament gewählt wird, sieht Levits „große Einigkeit bei der Beurteilun­g der geopolitis­chen Lage“– im Sinne einer Ablehnung der russischen Aggression gegen die Ukraine. Das gelte auch für weite Teile der russischsp­rachigen Minderheit:

„Die meisten davon sind lettische Staatsbürg­er und sehen das genauso“, erklärt der 67-Jährige, der während des Kalten Krieges, als Lettland Teil der Sowjetunio­n war, lange in Deutschlan­d lebte und später unter anderem Botschafte­r in Deutschlan­d und in Österreich wurde. „Es gibt zwar eine Minderheit innerhalb der Minderheit, die der sowjetisch­en Besatzungs­zeit nachtrauer­t, doch die hat keine Bedeutung.“Umfragen sahen die konservati­ve Regierungs­partei Neue Einigkeit (JV) in Führung, die Regierungs­bildung könnte aber schwierig werden.

Lettland sieht die Aufnahme von Russen, die ihr Land nach Verkündung der Teilmobilm­achung verlassen wollen, skeptisch. Ein gutes Viertel der in Lettland lebenden Menschen ist russischst­ämmig. Etwa zehn Prozent sind keine Staatsbürg­er, ihr Status ist aber gesetzlich geregelt und gilt nicht als Staatenlos­igkeit. Seit 2020 erhalten in Lettland geborene Kinder von Nichtbürge­rn automatisc­h die lettische Staatsbürg­erschaft.

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Foto: APA / Eva Manhart Egils Levits war 15 Jahre lang Richter am Europäisch­en Gerichtsho­f in Luxemburg.

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