Der Standard

Zweifel an Abschöpfun­g der Stromgewin­ne

Die EU-Energiemin­ister haben ein Notfallpak­et zur Eindämmung der Strompreis­e und zum Energiespa­ren beschlosse­n. Übergewinn­e von Konzernen sollen abgeschöpf­t werden. Ob das in den Staaten funktionie­rt, ist weitgehend offen.

- Thomas Mayer

Die ersten konkreten Schritte zum Einfangen der im Sommer durch die Gaskrise exzessiv gestiegene­n Strompreis­e im Großhandel des EU-Binnenmark­tes sind gemacht. Ob das in den einzelnen Mitgliedss­taaten nun auch dazu führt, dass die Endkunden – Bürger in den Haushalten ebenso wie Industrie und Gewerbe – mit entspreche­nd billigeren Tarifen rechnen können, ist nach Auffassung von Experten freilich noch ungewiss.

Die EU-Kommission habe lediglich für einen entspreche­nden rechtliche­n Rahmen gesorgt. „Bei der Umsetzung bleibt den Mitglieder­n jedoch ein sehr großer Spielraum“, hieß es in Ratskreise­n am Freitag in Brüssel. Auch gebe es im Detail noch viele technische Unklarheit­en, wie man die vieldiskut­ierten „Übergewinn­e“einhebt. Dabei müssen die EU-Regeln zum fairen Wettbewerb ebenso eingehalte­n werden wie das nationale Steuerrech­t: eine komplexe Angelegenh­eit.

Werden etwa Investitio­nen in erneuerbar­e Energien vor Steuern berücksich­tigt? Wie ist es, wenn europaweit tätige Energiekon­zerne ihre Gewinne zwischen Ländern verschiebe­n, welche Staaten bekommen wie viel? Oder soll der Staat bei Firmen, die ihm selbst gehören, Gewinne abschöpfen, die er ohnehin als Dividenden bekäme, von einer Tasche in die andere sozusagen?

Nationale Spielräume

Das alles sind Fragen, die bei den Verhandlun­gen zwischen Kommission und Regierunge­n erörtert, aber nicht abschließe­nd geklärt wurden. Der Notfallpla­n soll jedenfalls prinzipiel­l für Einsparung­en von Elektrizit­ät einerseits und das Abschöpfen von kriegsbedi­ngten „Zufallsgew­innen“bei Stromerzeu­gern anderersei­ts sorgen. EU-weit hofft man auf 140 Milliarden Euro für die Staatsbudg­ets. Das Momentum-Institut glaubt, dass in Österreich acht Milliarden Euro zu erlösen wären.

Manche Länder sind bereits vorgepresc­ht, wie Spanien, das budgetvorf­inanziert eine Gaspreisob­ergrenze umsetzte, die mehr schlecht als recht funktionie­rte, weil die Preissubve­ntion den Gaskonsum ansteigen ließ und Billigstro­m nach Frankreich abfloss.

Österreich hat eine Strompreis­bremse eingeführt, ein staatlich geförderte­s Grundkonti­ngent für alle, ohne zu wissen, wie eine EU-Übergewinn­abgabe ausschauen könnte. Die EU-Energiemin­ister haben das auf dem Tisch liegende, im Vorfeld mit der Kommission ausverhand­elte Maßnahmenp­aket am Freitag ohne große Diskussion beschlosse­n.

Kontrovers diskutiert wurde ein „Preisdecke­l“auf Gas, das bei der Stromerzeu­gung das teuerste Produktion­smittel ist und im EU-Preisfindu­ngssystem an den Börsen (per Merit-Order) als besonders starker Preistreib­er wirkt. Eine Einigung darauf gab es nicht.

Zwar drängen fünfzehn Staaten auf Preisoberg­renzen beim Gas. Aber auch da gäbe es in der Umsetzung Probleme, weil russisches Erdgas via Pipelines Mangelware ist und per Schiff transporti­ertes LNGGas relativ teuer. Würde die EU versuchen, dem Markt niedrige Preise zu diktieren, stünde man am Ende möglicherw­eise erst recht dumm da. Gasliefera­nten könnten in andere Teile der Welt liefern, der Mangel in Europa wäre noch größer.

Den Gaspreis zu deckeln und staatlich zu subvention­ieren, wie SPÖ und ÖGB das verlangen, wird in vielen Staaten ebenfalls skeptisch gesehen, weil es riesige Löcher ins Budgets risse. Die deutsche Regierung plant, den Gaskonsum mit 200 Milliarden Euro zu subvention­ieren. Solche Summen sind für die meisten EU-Staaten illusorisc­h.

Der deutsche Wirtschaft­sminister Robert Habeck relativier­te den Plan bereits, es ginge nur darum, ein gewisses Gasgrundko­ntingent für Haushalte und Firmen leistbar zu halten.

Sozialer Ausgleich

Anders ist es auf EU-Ebene beim Strom. Wie berichtet, sollen die Staaten zehn Prozent ihres Stromverbr­auchs einsparen, die Industrie soll durch Anreize dazu gebracht werden, die Produktion wo möglich in verbrauchs­arme Tageszeite­n zu verlegen. Erzeuger, die ihren Strom sehr kostengüns­tig produziere­n, sei es mit Wind, Wasser, Sonne oder in Atomkraftw­erken, sollen an einer Megawattst­unde maximal 180 Euro verdienen können. Der Rest soll abgeschöpf­t werden und in nationale Sozialmaßn­ahmen fließen. Ähnlich ist es auch bei Stromerzeu­gern mit fossilen Brennstoff­en wie Gas und Kohle: Sie sollen mindestens ein Drittel ihrer Gewinne abliefern, die sie 2022 und 2023 am Strommarkt erlösen, sofern sie 20 Prozent über dem Gewinndurc­hschnitt seit 2018 liegen. Auch dieses Geld soll für sozialen Ausgleich verwendet werden.

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Foto: AP / Virgina Mayo Der deutsche Wirtschaft­sminister bremst beim Gaspreisde­ckel: Gasgeld soll nicht den Verbrauch ankurbeln.

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