Zweifel an Abschöpfung der Stromgewinne
Die EU-Energieminister haben ein Notfallpaket zur Eindämmung der Strompreise und zum Energiesparen beschlossen. Übergewinne von Konzernen sollen abgeschöpft werden. Ob das in den Staaten funktioniert, ist weitgehend offen.
Die ersten konkreten Schritte zum Einfangen der im Sommer durch die Gaskrise exzessiv gestiegenen Strompreise im Großhandel des EU-Binnenmarktes sind gemacht. Ob das in den einzelnen Mitgliedsstaaten nun auch dazu führt, dass die Endkunden – Bürger in den Haushalten ebenso wie Industrie und Gewerbe – mit entsprechend billigeren Tarifen rechnen können, ist nach Auffassung von Experten freilich noch ungewiss.
Die EU-Kommission habe lediglich für einen entsprechenden rechtlichen Rahmen gesorgt. „Bei der Umsetzung bleibt den Mitgliedern jedoch ein sehr großer Spielraum“, hieß es in Ratskreisen am Freitag in Brüssel. Auch gebe es im Detail noch viele technische Unklarheiten, wie man die vieldiskutierten „Übergewinne“einhebt. Dabei müssen die EU-Regeln zum fairen Wettbewerb ebenso eingehalten werden wie das nationale Steuerrecht: eine komplexe Angelegenheit.
Werden etwa Investitionen in erneuerbare Energien vor Steuern berücksichtigt? Wie ist es, wenn europaweit tätige Energiekonzerne ihre Gewinne zwischen Ländern verschieben, welche Staaten bekommen wie viel? Oder soll der Staat bei Firmen, die ihm selbst gehören, Gewinne abschöpfen, die er ohnehin als Dividenden bekäme, von einer Tasche in die andere sozusagen?
Nationale Spielräume
Das alles sind Fragen, die bei den Verhandlungen zwischen Kommission und Regierungen erörtert, aber nicht abschließend geklärt wurden. Der Notfallplan soll jedenfalls prinzipiell für Einsparungen von Elektrizität einerseits und das Abschöpfen von kriegsbedingten „Zufallsgewinnen“bei Stromerzeugern andererseits sorgen. EU-weit hofft man auf 140 Milliarden Euro für die Staatsbudgets. Das Momentum-Institut glaubt, dass in Österreich acht Milliarden Euro zu erlösen wären.
Manche Länder sind bereits vorgeprescht, wie Spanien, das budgetvorfinanziert eine Gaspreisobergrenze umsetzte, die mehr schlecht als recht funktionierte, weil die Preissubvention den Gaskonsum ansteigen ließ und Billigstrom nach Frankreich abfloss.
Österreich hat eine Strompreisbremse eingeführt, ein staatlich gefördertes Grundkontingent für alle, ohne zu wissen, wie eine EU-Übergewinnabgabe ausschauen könnte. Die EU-Energieminister haben das auf dem Tisch liegende, im Vorfeld mit der Kommission ausverhandelte Maßnahmenpaket am Freitag ohne große Diskussion beschlossen.
Kontrovers diskutiert wurde ein „Preisdeckel“auf Gas, das bei der Stromerzeugung das teuerste Produktionsmittel ist und im EU-Preisfindungssystem an den Börsen (per Merit-Order) als besonders starker Preistreiber wirkt. Eine Einigung darauf gab es nicht.
Zwar drängen fünfzehn Staaten auf Preisobergrenzen beim Gas. Aber auch da gäbe es in der Umsetzung Probleme, weil russisches Erdgas via Pipelines Mangelware ist und per Schiff transportiertes LNGGas relativ teuer. Würde die EU versuchen, dem Markt niedrige Preise zu diktieren, stünde man am Ende möglicherweise erst recht dumm da. Gaslieferanten könnten in andere Teile der Welt liefern, der Mangel in Europa wäre noch größer.
Den Gaspreis zu deckeln und staatlich zu subventionieren, wie SPÖ und ÖGB das verlangen, wird in vielen Staaten ebenfalls skeptisch gesehen, weil es riesige Löcher ins Budgets risse. Die deutsche Regierung plant, den Gaskonsum mit 200 Milliarden Euro zu subventionieren. Solche Summen sind für die meisten EU-Staaten illusorisch.
Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck relativierte den Plan bereits, es ginge nur darum, ein gewisses Gasgrundkontingent für Haushalte und Firmen leistbar zu halten.
Sozialer Ausgleich
Anders ist es auf EU-Ebene beim Strom. Wie berichtet, sollen die Staaten zehn Prozent ihres Stromverbrauchs einsparen, die Industrie soll durch Anreize dazu gebracht werden, die Produktion wo möglich in verbrauchsarme Tageszeiten zu verlegen. Erzeuger, die ihren Strom sehr kostengünstig produzieren, sei es mit Wind, Wasser, Sonne oder in Atomkraftwerken, sollen an einer Megawattstunde maximal 180 Euro verdienen können. Der Rest soll abgeschöpft werden und in nationale Sozialmaßnahmen fließen. Ähnlich ist es auch bei Stromerzeugern mit fossilen Brennstoffen wie Gas und Kohle: Sie sollen mindestens ein Drittel ihrer Gewinne abliefern, die sie 2022 und 2023 am Strommarkt erlösen, sofern sie 20 Prozent über dem Gewinndurchschnitt seit 2018 liegen. Auch dieses Geld soll für sozialen Ausgleich verwendet werden.