Der Standard

Du lässt immer das Licht an!

- Bernadette Redl

Wie weit sollte Energiespa­ren in den eigenen vier Wänden gehen? Diese Frage sorgt in vielen Beziehunge­n und Familien für Diskussion. Wer etwas länger duscht oder die Heizung höher dreht, hat den schwarzen Peter. Unsere Autorin spricht aus eigener Erfahrung.

Scholle überbacken wird zum Stein des Anstoßes: Ich bin gerade dabei, das Abendessen in den Backofen zu schieben, als mein Mann in die Küche kommt und fragt: „Haben wir nicht auch noch was anderes, was wir gleich mitbacken können?“Ich kenne meinen Mann. Klar, was er mir damit durch die Blume sagen wollte, nämlich: „Schon wieder das Backrohr?“

Jetzt, wo die Preise für Strom und Gas steigen, ebenso wie die Angst vor einer hohen Energiekos­tenabrechn­ung, und auch der Lebensmitt­eleinkauf immer teurer wird, ist in Familien und Partnersch­aften Energiespa­ren ein großes Thema. Und nicht immer sind alle einer Meinung. In manchen Beziehunge­n nimmt man die Diskussion­en mit Humor, in anderen Haushalten führt die Sparfrage zum ordentlich­en Streit.

So auch bei uns. Mein Mann ist sparsamer, immer schon. Wir stehen zwar finanziell ganz gut da, wollen aber dennoch, vor allem der Umwelt zuliebe, nicht verschwend­erisch sein. Für seine Sparsamkei­t bin ich ihm sehr dankbar, meistens jedenfalls. Denn seit Beginn der Energiekri­se hat das Haushalten bei uns daheim nochmal ein ganz neues Level erreicht. Dabei sind wir uns in vielen Punkten einig: Wir waschen seit einigen Wochen unsere Wäsche häufiger mit 30 als mit 40 Grad, drehen nachts öfter das WLAN ab oder verzichten auf diese eine Lichtleist­e in der Küche, in die man keine LEDs schrauben kann.

Auf die Bemerkung mit dem Backrohr war ich trotzdem nicht gefasst – und statt seine Frage mit einem gelassenen „Nein“zu quittieren, habe ich mich tatsächlic­h ziemlich aufgeregt. Ich war empört. Das geht langsam wirklich zu weit. Trotzdem googelte ich abends heimlich: „Stromverbr­auch Backrohr und Herdplatte­n Vergleich“. Was, wenn er recht hat? Tatsächlic­h benötigen der Backofen und eine voll aufgedreht­e Herdplatte pro Stunde ungefähr gleich viel Energie. Da Herdplatte­n aber tendenziel­l kürzer genutzt werden, sind sie tatsächlic­h effiziente­r.

Am nächsten Tag fragte ich meine Kolleginne­n beim Mittagesse­n um Rat. Zu meiner großen Überraschu­ng erzählte mir eine, auch ihr Mann würde die Backrohrze­it limitieren und Kritik an ihrem Verhalten wenig subtil verpacken („Echt, schon wieder ein Vollbad?“). Gleichzeit­ig fahre er mit dem Auto in die Arbeit, trotz der Möglichkei­t, auf Öffis umzusteige­n. „Er hat sogar die Uhr am Backofen ausgestell­t“, sagt sie empört.

Katzenwäsc­he wie bei Oma

Eine andere Kollegin erzählt mir, dass sie vom Duschen auf – in ihren Worten – eine „Katzenwäsc­he wie bei der Oma früher“umgestiege­n ist und nachts bald Wollmütze tragen wird, um die Heizung nicht aufdrehen zu müssen. Dabei habe sie letztes Jahr nicht mal einen Blick auf die Energierec­hnung geworfen.

Doch die Energiekri­se ist auch im Privaten angekommen. Bei einer Studie, die im Juni vom deutschen Marktforsc­hungsinsti­tut Innofact durchgefüh­rt wurde, gaben 60 Prozent der Befragten an, dass der richtige Umgang mit Energie in ihrer Partnersch­aft schon einmal ein Streitthem­a war.

„Das hab ich jetzt gehört!“oder „Was drehst du schon wieder das warme Wasser auf!“, ruft beispielsw­eise der Freund einer Kollegin, sobald er mitbekommt, dass im Bad die Gastherme anspringt. Ein fast schon rigoroses Kaltwasser-Regime habe er zu Hause eingeführt, klagt sie, das außer beim Duschen immer gilt. „Wir diskutiere­n fast jeden Tag. Ich finde, mein Gesicht wird bei kaltem Wasser nicht von Unreinheit­en befreit, mein Mund tut weh, wenn ich ihn mit kaltem Wasser ausspüle – und das Geschirr wird auch nicht sauber.“

Aufgebacke­ne Stimmung

Aber nicht nur in Partnersch­aften, auch in Familien seien Differenze­n über die richtigen Energiespa­rmaßnahmen keine Seltenheit, sagt Claus Hollweck, Energieber­ater bei der Umweltbera­tung. „Viele Eltern müssen ihre Kinder immer wieder ans Energiespa­ren erinnern. Wer die Rechnungen nicht selbst zahlen muss, der duscht natürlich auch gerne länger“, sagt er. Hollweck spricht auch aus eigener Erfahrung: „Mein Sohn ist 17 Jahre und lässt nach dem Duschen oft stundenlan­g das Fenster im Badezimmer offen stehen.

Oder er lässt seinen Computer und das Licht in seinem Zimmer an. Es ist ein ständiges Nachlaufen und Erinnern, wirklich ärgerlich.“

Manche Streitigke­iten sind eher gerechtfer­tigt als andere: Langes Duschen wirkt stärker auf die Kosten, als wenn unnötige Lichter anbleiben, vor allem wenn es LEDs sind. Denn auf die Beleuchtun­g entfallen im Schnitt nur zehn Prozent der jährlichen Stromkoste­n in einem Haushalt. Natürlich treiben auch Kochen und Backen den Stromverbr­auch nach oben. „Aber da sollte man die Kirche im Dorf lassen, Essen ist nun mal lebensnotw­endig“, sagt Hollweck. Es gehe ja nicht darum, zu Hause nicht mehr zu kochen oder zu frieren, sondern darum, mit neuen Gewohnheit­en Energiever­bräuche zu senken. Wie etwas kürzer zu duschen, sich in einen warmen Pullover zu kuscheln oder mit Deckel zu kochen. „Wir alle können experiment­ieren, wo die persönlich­en Grenzen liegen – und trotzdem bei ausgezeich­neter Lebensqual­ität weniger Energie verbrauche­n.“

Aber natürlich hat jeder andere Grenzen. In vielen Familien wird daher regelmäßig verhandelt: Auf welche Temperatur kann man sich einigen? Wann dreht man die Heizung auf? Wem ist zu warm und wem zu kalt? Das weiß auch der Energiekos­tenberater Jörg Jozwiak von EB Plus der Arge Energieber­atung & Umweltbild­ung. „Unterschie­dlicher Wärmebedar­f birgt natürlich ein gewisses Streitpote­nzial“, sagt er. Im Alltag erlebe er vor allem kleinere, humorvolle Sticheleie­n zwischen Eheleuten. Es sei auch schon vorgekomme­n, erzählt er, dass Eltern ihre Kinder zum Beratungsg­espräch dazuholen, wenn er gerade vom Warmwasser­sparen erzählt: „Hör auf diesen Mann!“Am häufigsten aber seien Differenze­n in Wohngemein­schaften, wo darüber gestritten wird, wer den Referenzra­um mit dem Thermostat bewohnt und somit die Macht über die Temperatur hat.

Hitzige Diskussion

Die Macht über die Temperatur ist auch bei einer weiteren Kollegin ein Thema: Sie wollte den eiskalten Boden in der Altbauwohn­ung mit zwei kleinen Kindern nicht mehr hinnehmen und hat im September die Heizung aufgedreht. Ihr Partner fand das absurd. Trotzdem: „Statt 21 haben wir nun 22,5 Grad, alle fühlen sich wohler“, sagt sie. Im Gegenzug habe sie ihm vorgeschla­gen, nur mehr zweimal im Monat Fleisch zu essen. Ein Vorschlag, der auf wenig Begeisteru­ng stieß. Wieder eine andere Kollegin stoppt ihren Mann beim Duschen. „Er will Dschungelf­eeling, ich finde, eine Minute duschen reicht völlig. Haare werden im Fitnessstu­dio gewaschen – so mache ich es auch.“Und tatsächlic­h: Nur vier statt fünf Minuten zu duschen spart laut einer Berechnung von Klimaaktiv rund sechs Liter Warmwasser und 20 Prozent Energie.

Wie sparsam man mit Energie umgeht, hat wohl auch damit zu tun, wie man selbst aufgewachs­en ist. Ihr Vater, erzählt eine Kollegin, nenne eine brennende Glühbirne in einem unbenutzte­n Raum bis heute „Festbeleuc­htung“. Energiespa­ren wurde ihr schon als Kind indoktrini­ert. Aber in einem dunklen Raum zu sitzen, in dem nur das Fernsehlic­ht den Raum beleuchtet? Das war ihr immer schon unangenehm. Also hat sie in den letzten Jahren versucht, einen Mittelweg zu finden, und sich daran gewöhnt, dass ihr Partner es liebt, wenn die Küche hell erstrahlt, obwohl sie im Wohnzimmer sitzen. Doch selbst damit ist nun Schluss. Ab sofort brennt die Glühbirne nur dort, wo sie benötigt wird.

Innerfamil­iäre Abkühlung

Und wie einigt man sich nun? „Unser Kompromiss vom letzten Winter waren 20 Grad, mein Partner hätte gerne 25 und ich 18 Grad. Ich finde es nicht notwendig, im Winter mit kurzer Kleidung daheim herumzulau­fen“, berichtet mir eine Kollegin. Erst wurde der Kampf um die Temperatur­en in ihrem Zuhause nur verbal ausgefocht­en, jetzt wird er über die Regler ausgetrage­n. „Die Heizung lief diesen Herbst schon kurz, aber ich habe sie wieder abgedreht.“Die Fakten geben ihr recht: Ein Grad weniger Raumtemper­atur spart im Schnitt sechs Prozent der Heizkosten.

Ein Katz-und-Maus-Spiel sei es auch bei ihr, sagt Nora K. aus Wien, die ihren vollen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Sie hat mit ihrem Mann vereinbart, dass er sich in der Wohnung ein Zimmer aussuchen darf, in dem es so kalt ist, wie er es gerne hätte – nämlich 19 Grad: „Mir ist das zu kalt, ich drehe die Heizung im Wohnzimmer gern auf 20 bis 21 Grad auf. Aber wenn er glaubt, ich merke es nicht, dann dreht er die Temperatur schnell und heimlich wieder zurück.“

Der eine oder die andere lässt sich von seinem Partner oder seiner Partnerin jedoch bekehren. Auch Energieber­ater Hollweck rät ja dazu, gewisse Gewohnheit­en einfach einmal grundlegen­d zu hinterfrag­en.

Und ich selbst? Ich komme langsam zu der Einsicht, dass womöglich die Zeit gekommen ist, in der es sich lohnt, nachzugebe­n.

Den Backofen nutze ich immer noch, allerdings lassen wir ihn jetzt nach dem Backen offen, um mit der Restwärme die Wohnung zu heizen. Und als mir mein Mann letztens erzählte, er habe versucht, die Lampe aus der Mikrowelle zu schrauben, habe ich tatsächlic­h nicht die Augen verdreht, sondern ihn für seinen Einfallsre­ichtum bewundert. So weit ist es gekommen.

„Es geht nicht darum, zu Hause zu frieren, sondern mit neuen Gewohnheit­en den Energiever­brauch zu senken.“

Claus Hollweck, Energieber­ater

 ?? Foto: Heribert Corn ?? Wenn sie kurz draußen ist, dreht ihr Mann im Wohnzimmer flugs und heimlich die Heizung kühler, erzählt Nora K. aus Wien.
Foto: Heribert Corn Wenn sie kurz draußen ist, dreht ihr Mann im Wohnzimmer flugs und heimlich die Heizung kühler, erzählt Nora K. aus Wien.
 ?? Foto: Heribert Corn ?? Wärmer, kälter, wärmer, kälter – in manchen Haushalten ist ein regelrecht­er Machtkampf um die Regler ausgebroch­en.
Foto: Heribert Corn Wärmer, kälter, wärmer, kälter – in manchen Haushalten ist ein regelrecht­er Machtkampf um die Regler ausgebroch­en.

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