Solist trifft Orchester
IX und ID.5. Beide zählen zu den SUVs, beide stehen auf einer rein elektrischen Plattform – der BMW aber ist dort ein Solitär, der VW Teil einer stetig größer werdenden Familie. Betrachtungen zu zwei markanten deutschen E-Mobilen.
Springen zwei Knaben auf die Fahrbahn, recken die Daumen hoch und kreischen begeistert: „Boa he! Super Auto.“Schock. War aber gleich ein Funktionstest für den Stadtnotbremsassistenten. Funktioniert. Oder kurz drauf der mittelalte Rumäne mit seiner Lebensabschnittsbeobachterin, der mir beim Fototermin auf der Höhenstraße begegnet, nahe der Kirche St. Josef auf dem Kahlenberg, wo man des Sieges über die Türken 1683 gedenkt. „Alter: Was. Ist. Das. Denn?!?“Er bleibt extra mit dem bollernden Mercedes CL 65 AMG, späte 2000er-Jahre, stehen, V12-Biturbo, 612 PS, Sie erinnern sich, und meint begeistert: „Irrer Wagen!“Anstandshalber retourniere ich das Kompliment, doch er meint, seines sei bestenfalls der Opa von dem und bald nur mehr gestrig.
„Das hier“ist der BMW iX. In Maximalversion M60 xDrive. Gern fällt der Kommentar „hässlicher Krapfen“, aber auch enthusiasmierte Reaktionen sind an der Tagesordnung, siehe oben, und das zeigt: Das Fahrzeug polarisiert. Eine Kunst, die BMW spätestens seit dem ersten X6 (2008) beherrscht und neuerdings zur Perfektion bringt, Stichwort Monsternieren. Recht gibt dieser Strategie vor allem eines: der Verkaufserfolg. Die Amis und Chinesen lieben das, der Rest der Welt inklusive der Herkunftsregion scheint den Weiß-Blauen zunehmend egal.
Fragen der Architektur
Aber wenden wir uns den technischen Aspekten zu, dem, was dieses Trumm ökokorrekter SUV zu bieten hat. Anders als derzeit alle anderen E-BMWs, die auf Mischplattformen basieren, steht der iX auf einer rein elektrischen, die von sonst keinem Konzernfahrzeug geteilt wird. Insofern ist er ein Solitär wie weiland der i3, der leider, leider ausgelaufen ist und der mit seiner sündteuren Karbon-Karosserie in Summe noch gewagter war als der iX. Erst die neue „Neue Klasse“(nimmt Bezug auf die Bezeichnung der berühmten 1500erbis 2000er-BMWs der 1960er) ab 2025 wird die technische Architektur für eine ganze Reihe ausschließlich elektrischer Fahrzeuge stellen.
Sofern diesen Plänen der Verlauf des Weltgeschehens keinen Strich durch die Rechnung macht – selbst Experten wie Ferdinand Dudenhöffer sind inzwischen skeptisch: Die aktuellen wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen könnten den politisch und medial so nachdrücklich eingeforderten Erfolg des E-Autos ernsthaft gefährden.
Zurück zum iX M60. Wie er sich fährt? Vorsicht am Strompedal! Die 455 kW Systemleistung entfalten sich blitzartig, wenn man den Fortbewegungswunsch nicht mit Bedacht übermittelt. Zwei stromerregte E-Motoren sind dafür zuständig, jener vorne leistet 190 kW, der hinten 360, sprich: Allradantrieb.
Die 105,2-kWh-Batterie bringt einen bis zu 561 Kilometer weit, in die Realität übersetzt bedeutet dies, Reichweitensorgen sind mit so einem Gefährt endgültig passé, und BMW wäre nicht BMW, hätten die nicht adaptive Zweiachs-Luftfederung und Karosseriestruktur auf die Antriebspotenz abgestimmt. Erstaunlich jedenfalls die Leichtfüßigkeit dieses gewichtigen Kolosses.
Sie lieben synthetischen Sound? Dann wechseln Sie unter „my modes“ gerne in den Sport-Modus und genießen Sie, solange Sie es aushalten. Ganz unter uns: Der gute Hans Zimmer hat schon Bedeutsameres komponiert als diesen und generell den „Iconic Sound“im iX.
Der setzt beim Bedienkonzept weiter auf das weltbeste, das mit dem Dreh-Drück-Regler. Aber: Man muss nun in die Menüs und dort Assistenzsysteme einzeln deaktivieren, wie den Spurhalter; wer lässt sich bei einem BMW schon gern ins Lenkrad greifen? Auch die Rekuperationsstufen sollte man bei „Freude am Fahren“-Anspruch über Wippen am Lenkrad anwählen können und nicht mühsam über Submenüs.
Die Türen öffnen nach Tesla-Manier, Knopf drücken statt Hebel ziehen, und damit raus aus dem BMW, rein in den VW. Gleich viel mehr Volks-Wagen, aber auch sauteuer. Kostet der iX M60 133.600 Euro und in der Testwagenausstattung 143.830, so sind für den ID.5 Pro Performance 54.710 fällig – Testfahrzeug: 69.969.
Laufend Zuwachs
Solist trifft Orchester. Lassen Sie uns einmal kurz rechnen. Der ID.5 steht auf der ersten rein elektrischen Plattform des VW-Konzerns, dem MEB, und teilt sich die mit momentan acht, bald noch viel mehr Geschwistern: VW ID.3, ID.4, ID. Buzz, Audi Q4 und Q4 Sportback etron, Cupra Born, Škoda Enyaq und Enyaq Coupé. Da ist also Musik drin, das Kammerorchester wächst sich zügig zum symphonischen aus. Und ach ja: In der Größenkategorie, die der iX bespielt, gesellt sich im VWKonzern demnächst die Premium Platform Electric (PPE) hinzu, auf der dann diverse größere Audis, Porsches und Bentleys losstromern.
ID.5: Enyaq Coupé ist insofern ein Stichwort, als es sich beim 5er um das SUV-Coupé des ID.4 handelt. Kaum weniger alltagstauglich als jener, fast gleich großer Kofferraum (ID.4: 543–1575 Liter, ID.5: 549–1561), ein schnörkelloser praktischer Typ: Das Kabelzeugs beispielsweise lässt sich unter der Kofferraumabdeckung verstauen und ist dann darüber nicht weiter hinderlich.
Kritikpunkte wären, wie eigentlich bei allen IDs bisher, die dürftige Materialanmutung, die speziell im direkten Vergleich mit Hyundai Ioniq 5, Kia EV6, aber auch mit Renault Mégane E-Tech oder dem Nissan Ariya, der größenmäßig besser passt, auffällt. Und das reine TouchBedienkonzept ist, wie allüberall, wo es auftritt, kein Ruhmesblatt. Sprachbedienung hingegen bei iX wie ID.5: weitgehend tadellos.
Fahrkapitel? Anders als der iX ist das kein Schlachtschiff, der ID.5 lässt sich jederzeit vernünftig pilotieren. Der Hecktriebler fährt sich agil und neutral ausbalanciert, die 150 kW steuert eine Asynchronmaschine (ASM) bei, kommt also ohne Permanentmagnete aus, ein vernünftiger, nachhaltiger Ansatz.
Vernünftig auch die Reichweite: Die 77-kW/h-Batterie bringt einen 498 km weit. Auch hier herrscht also kein Mangel mehr, und wenn der iX die Kunst des schnellen Ladens mit bis zu 195 kW beherrscht, so muss sich der ID.5 mit 135 auch nicht genieren. Zwei ganz unterschiedliche Typen also, aber in manchen Punkten doch vergleichbar. Etwa dem, der für die meisten E-Autos gilt: Sie sind irgendwie seelenlos.