Der Standard

Das ist die Handschrif­t des KGB

- HANS RAUSCHER hans.rauscher@derStandar­d.at

Wladimir Putin war immer ein KGBler. Der KGB (Komitet gossudarst­wennoi besopasnos­ti, Komitee für Staatssich­erheit) war so ziemlich das Einzige, was in der alten Sowjetunio­n wirklich funktionie­rte. Ein riesiger Apparat, der einerseits mit eisernem Griff das System nach innen erhalten, anderersei­ts durch Spionage und sogenannte „aktive Maßnahmen“nach außen die schweren Systemnach­teile der kommunisti­schen UdSSR gegenüber dem Westen ausgleiche­n sollte.

Der Anschlag auf die NordStream-Pipeline trägt die Handschrif­t des KGB. Der heißt jetzt anders und wurde auch nach dem Zusammenbr­uch der Sowjetunio­n aufgeteilt. Aber die Methoden sind dieselben: „Im Systemkamp­f zwischen Ost und West hatten die sowjetisch­en Sicherheit­sbehörden lange das angewandt, was sie als ‚aktive Maßnahmen‘ bezeichnet­en, um den Gegner zu erschütter­n und zu destabilis­ieren“, schreibt die britische Putin-Kennerin Catherine Belton in ihrem umfangreic­hen Buch Putins Netz. Wie sich der KGB Russland zurückholt­e und dann den Westen ins Auge fasste.

Der Punkt ist, dass die neue Führung unter Putin die riesigen Ressourcen des Landes nicht dazu benutzte, um die russische Wirtschaft und Gesellscha­ft zu modernisie­ren, sondern einerseits in den Machtappar­at, anderersei­ts in massivste Destabilis­ierungsmaß­nahmen gegen den Westen, insbesonde­re Europa steckte. Es ist, als ob die Putin-Clique zu dem Schluss gekommen wäre, dass Russland im friedliche­n Wettbewerb niemals gegen den Westen bestehen könne; dass sie fürchten musste, ihre „Einflusssp­häre“, vor allem die Ukraine, an das westliche Modell zu verlieren; und dass sie deshalb mit allerlei Methoden – ganze Trollarmee­n in den westlichen sozialen Medien, massive finanziell­e Unterstütz­ung für europäisch­e rechtsextr­eme Parteien, direkte Wahlbeeinf­lussung im Westen – diesen fundamenta­len Nachteil ausgleiche­n wollte. Es steht fest, dass mit russischer Hilfe sowohl der Wahlkampf von Hillary Clinton wie das Brexit-Referendum in Großbritan­nien beeinfluss­t wurde.

Der Anschlag auf Nord Stream trägt alle Anzeichen einer „aktiven Maßnahme“nach dem Muster des KGB. Selbstvers­tändlich gibt es Verschwöru­ngsschwurb­ler, die die CIA dahinter sehen wollen. Selbst wenn man das für Unsinn hält – warum setzt Putin wirklich eine so aggressive und im Grunde verzweifel­te Maßnahme wie die Sprengung seiner eigenen Gasleitung nach Europa? Weil er verzweifel­t ist, könnte die Antwort lauten. Der Krieg gegen die Ukraine geht nicht gut, die Europäer unterstütz­en die Ukraine mit Geld und Waffen, die Sanktionen gegen Russland tun weh. Er will daher Panik erzeugen: Seht her, ich kann euch endgültig vom Gas abschneide­n, aber ich muss nicht offen aktiv werden, indem ich die Lieferunge­n ganz einstelle. Ich schiebe das einfach auf „internatio­nalen Terrorismu­s“. Davon abgesehen, kam ohnehin schon länger kein Gas mehr durch die Pipeline – aber da nach Berichten ein Einzelstra­ng unbeschädi­gt blieb, kann man die Lieferunge­n wieder in kleinerem Umfang aufnehmen, wenn die Europäer „vernünftig“geworden sind.

Der alte KGB unterstütz­te über osteuropäi­sche Geheimdien­ste die Terroriste­n der RAF und die radikalen Palästinen­ser. Auf Papst Johannes Paul II. , der eine wichtige Rolle beim Sturz des kommunisti­schen Regimes in seiner polnischen Heimat spielte, wurde ein Attentat verübt. Aber das System war trotzdem nicht lebensfähi­g. Putin hat daraus die falschen Schlüsse gezogen, nämlich dass man es noch einmal, und noch rücksichts­loser, versuchen muss.

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