Der Standard

Rassismus oder Verhetzung?

Anwalt Wilfried Embacher will aufgrund der rassistisc­hen Aussagen des niederöste­rreichisch­en Landesrats Gottfried Waldhäusl (FPÖ) Anzeige einbringen. Er sieht den Tatbestand der Verhetzung erfüllt.

- Jakob Pflügl, Colette M. Schmidt

Nach den rassistisc­hen Aussagen des niederöste­rreichisch­en Asyllandes­rats Gottfried Waldhäusl (FPÖ) auf Puls 4 wird sich demnächst auch die Staatsanwa­ltschaft mit dem Fall befassen. Die Kanzlei von Anwalt Wilfried Embacher, die mit Asylverfah­ren bekannt wurde, will Anzeige erstatten. Die Aussagen Waldhäusls seien nicht nur rassistisc­h, sondern strafrecht­lich relevant, weil sie den Tatbestand der Verhetzung erfüllen.

In einem Gespräch mit der Austria Presse Agentur (APA) bekräftigt­e der FPÖ-Politiker am Donnerstag seine Aussagen. Auf Nachfrage des STANDARD betont Waldhäusls Büro, dass dieser erst kürzlich von der Anzeige erfuhr und ihr „ruhig“entgegense­he. Aber könnte der umstritten­e Politiker tatsächlic­h wegen Verhetzung verurteilt werden?

Der Paragraf 283 Strafgeset­zbuch wurde zuletzt im Jahr 2015 umfassend reformiert und deutlich erweitert. Strafbar ist, wer entweder öffentlich zu Gewalt oder Hass gegen eine Menschengr­uppe aufstachel­t oder eine solche Gruppe in einer Weise beschimpft, die sie öffentlich herabsetzt und damit ihre Menschenwü­rde verletzt. Das Strafausma­ß reicht bis zu zwei Jahren Haft. Wenn die Tat in einer Zeitung oder im Fernsehen begangen wird, drohen Strafen von bis zu drei Jahren.

Menschenwü­rde verletzt?

Anwalt Embacher wird sich in der Anzeige, die dem STANDARD vorliegt, auf den Verhetzung­statbestan­d der Beschimpfu­ng stützen.

Geschützt sind laut der Rechtsprec­hung des Obersten Gerichtsho­fs (OGH) nicht nur eng definierte Personengr­uppen wie Juden oder Marokkaner. Strafbar ist auch die pauschale Hetze gegen Ausländer. Voraussetz­ung für die Strafbarke­it ist, dass die Aussage die Menschende­m würde der betroffene­n Gruppe verletzt. Laut OGH ist das dann der Fall, wenn „Angehörige der angegriffe­nen Gruppe unmittelba­r oder mittelbar das Recht auf Menschense­in schlechthi­n abgesproch­en wird, inetwa das Lebensrech­t als gleichwert­ige Bürger bestritten wird oder sie als minderwert­ige oder wertlose Teil der Gesamtbevö­lkerung dargestell­t werden.“

Während Embacher diese Voraussetz­ung als erfüllt betrachtet, sieht Strafverte­idiger Alexander Stücklberg­er die Schwelle zum Strafrecht nicht überschrit­ten. „Die Verhetzung ist so definiert, dass sie nur in Extremfäll­en anwendbar ist.“Da der Aufruf zu Gewalt gleich bestraft wird wie die Beschimpfu­ng, sei der Maßstab dafür relativ hoch.

Parteikoll­egin verurteilt

Sollte Waldhäusl vor Gericht kommen, wäre es nicht das erste Mal, dass sich ein aktiver FPÖ-Politiker wegen Verhetzung rechtferti­gen müsste. Einer der wohl bekanntest­en Fälle war jener der ehemaligen Klubchefin und Stadträtin der Grazer FPÖ, Susanne Winter. Diese hatte in einer Rede vor hunderten Menschen behauptet, der muslimisch­e Prophet Mohammed sei ein „Kinderschä­nder“, der den Koran während epileptisc­her Anfälle geschriebe­n habe.

Sie wurde daraufhin rechtskräf­tig wegen Verhetzung und der Herabwürdi­gung religiöser Lehren verurteilt. Dem Staatsanwa­lt war es gelungen zu beweisen, dass Winter gegen Leute „allein wegen ihrer Zugehörigk­eit Hass geschürt“habe und durch das Urteil „eine generalprä­ventive Grenze zu ziehen sei“.

Der Richter folgte damals dieser Argumentat­ion, denn er stellte Winters Aussagen in den Kontext von vielen anderen, die sie als Politikeri­n getätigt hatte. Das Gericht betonte damals, dass es auch in kommenden Wahlkämpfe­n darum gehen werde: „Was darf man, und was geht nicht?“Dieser Diskussion müsste sich die Justiz im Fall Waldhäusl wieder stellen.

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Foto: Robert Newald Laut Anwalt Embacher verletzen die Aussagen die Menschenwü­rde.

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