Der Standard

EU sagt der Ukraine maximale Hilfe zu

Erster EU-Gipfel in einem Land im Kriegszust­and: Eine große Delegation mit Kommission­schefin und Ratspräsid­ent trifft in Kiew Präsident Selenskyj. Finanz- und Waffenhilf­e werden ausgebaut, die Beitrittsp­erspektive ist offen.

- Thomas Mayer

Es ist ein in der Geschichte der Union einmaliger EU-Gipfel, der am Freitag in der ukrainisch­en Hauptstadt über die Bühne geht. Politisch betrachtet sendet er das bisher stärkste Signal an Moskau und die Welt, dass die Union im Krieg Russlands gegen die Ukraine fest an der Seite des angegriffe­nen EU-Beitrittsk­andidaten steht.

Angeführt von Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen und Ratspräsid­ent Charles Michel – er steht für die 27 Regierungs­chefs der Mitgliedss­taaten –, reiste eine große EU-Delegation am Donnerstag nach Kiew. In zwei Arbeitstre­ffen wird sie mit Präsident Wolodymyr Selenskyj einen EU-Ukraine-Gipfel abhalten.

Es ist das 24. Treffen auf höchster politische­r Ebene, seit die Ukraine 2015 ein enger Partner der Gemeinscha­ft geworden ist. Die meisten Gipfel fanden in Brüssel statt. Aber es sind nun die besonderen Umstände, die diesen so wichtig machen. Seit dem Blitzbesuc­h Selenskyjs bei US-Präsident Joe Biden in Washington im Dezember war lange spekuliert worden, wann der Ukrainer in der EU-Hauptstadt auftaucht. Nun hat man das spektakulä­r „umgedreht“.

EU-Beitritt umstritten

Neben den EU-Spitzen sollen nicht weniger als 16 EU-Kommissare mit von der Partie sein, darunter der Hohe Beauftragt­e für die Außenpolit­ik, Josep Borrell. Im Vorfeld gab es gröbere Sorgen wegen der Sicherheit. Die Abschlussk­onferenz von Selenskyj, von der Leyen und Michel am Freitag wird nicht live sein, sondern nach einer Aufzeichnu­ng gesendet, nach Abreise der Gäste.

Es kursierten Notfallplä­ne dazu, was geschieht, sollte es zum Äußersten, einem Ausfall von Kommissare­n, kommen. Vizepräsid­ent Frans Timmermans blieb in Brüssel zurück, um notfalls die Geschäfte zu übernehmen. „Allein die Tatsache, dass der Gipfel überhaupt stattfinde­t, ist schon ein wichtiges Zeichen“, ein Erfolg, hieß es im Vorfeld in Ratskreise­n. Tatsächlic­h war es seit Beginn des Krieges vor bald einem Jahr die Kommission, die sich offensiv für die Ukraine starkmacht­e, schon am ersten Kriegstag mit EU-Sanktionen gegen Russland.

Von der Leyen hat die Ukraine seither viermal besucht. Diese unbedingte Unterstütz­ung des Landes kommt auch in Dokumenten zum Ausdruck, die am Freitag als gemeinsame „Erklärung von Kiew“öffentlich werden sollen.

Selenskyj und seine Regierung drängen vehement darauf, dass die EU ihnen einen konkreten Zeitplan zum Beitritt nennt. In zwei Jahren wollen sie EU-Mitglied sein.

Das ist naturgemäß ausgeschlo­ssen. Die Erklärung wird anerkennen, dass Kiew bei der Angleichun­g seines Rechtssyst­ems an EU-Standards Fortschrit­te mache, dass etwa Korruption bekämpft werde. Vertreter der Mitgliedss­taaten sehen es kritisch, wenn in der Ukraine „überzogene Erwartunge­n“geweckt werden. Die Ukraine ist weit weg davon, die Beitrittsk­riterien zu erfüllen.

Wichtiger im Moment sind freilich die konkreten Finanz- und Militärhil­fen. Bisher haben EU und Mitgliedss­taaten im Krieg 60 Milliarden Euro für das Land aufgebrach­t. Zehn Milliarden gingen in Flüchtling­shilfe, zwölf Milliarden in die Lieferung von Kriegsmate­rial. Für 2023 ist eine Makrofinan­zhilfe von 18 Milliarden Euro in Form von Krediten vorgesehen, mit denen staatliche Ausgaben, u. a. für das Sozialsyst­em und Renten, finanziert werden.

Wiederaufb­au gigantisch

Vorerst nur theoretisc­h sind Pläne für ein großes Wiederaufb­auprogramm nach dem Krieg, sollte es zu Friedensve­rhandlunge­n kommen. Die Schätzunge­n, wie viel benötigt wird, reichen von 500 bis 1000 Milliarden Euro.

Militärisc­h will die EU weiter behilflich sein. Bisher wurden aus dem EU-Budget für 3,5 Milliarden Euro Waffen und Material geliefert. Der Außenbeauf­tragte Borrell wird bekanntgeb­en, dass die EU weitere 15.000 Soldaten zur Ausbildung in einem EU-Land einladen wird, ebenso viele waren bereits seit November in Trainings. Von der Leyen kündigte auch ein zehntes Sanktionsp­aket gegen Russland an.

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Kommission­spräsident­in von der Leyen wollte den EU-Gipfel mit Präsident Selenskyj in Kiew.

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