Der Standard

Paris 2024 mit Russen? ÖOC ist dafür

So sie unter „neutral“laufen, sollen russische und belarussis­che Aktive an Olympische­n Spielen teilnehmen können, sagt ÖOC-Generalsek­retär Peter Mennel. Denn: „Die Athletinne­n und Athleten sollen nicht leiden.“

- Fritz Neumann

Der Ton machte die Musik, und so hat vor allem das Wording von Thomas Bach viele überrascht. Der Präsident des Internatio­nalen Olympische­n Komitees (IOC) sieht eine „riesengroß­e Mehrheit“hinter seinen Überlegung­en, „neutrale“Sportlerin­nen und Sportler bei den Olympische­n Sommerspie­len 2024 in Paris zuzulassen. Auch andere Länder seien von Kriegen betroffen, sagte Bach und fügte hinzu: „Was sagen Sie einem Athleten aus dem Jemen, dem Irak, aus Libyen, aus Armenien, aus Aserbaidsc­han, aus Äthiopien?“

Ob dieser Relativier­ung nahm es nicht wunder, dass die Ukraine scharf reagierte. Präsident Wolodymyr Selenskyj will Bach „nach Bachmut einladen. Da kann er sich davon überzeugen, dass Neutralitä­t nicht existiert.“Laut Selenskyj wäre auch „jedes neutrale Banner russischer Athleten mit Blut befleckt“. Gut möglich ist ein ukrainisch­er Olympia-Boykott im Falle russischer Teilnahmen. Auch aus Polen, Deutschlan­d, Finnland und dem Baltikum kam heftige Kritik am IOC.

Österreich? Da fallen einem zunächst die Beziehunge­n ein, die es zwischen Russland und Österreich auch im Sport lange gab. Ex-Skistar

Karl Schranz war Wladimir Putin freundscha­ftlich verbunden. Mittlerwei­le hat sich Schranz klar vom russischen Präsidente­n distanzier­t. 2010 war Putin der Stargast der Judo-EM in Wien. Und 2014, bei den Olympische­n Winterspie­len in Sotschi, kam es im Österreich-Haus zu einem geselligen Zusammense­in mit Putin. Keine zwei Wochen später begann die russische Annexion der ukrainisch­en Halbinsel Krim. Für ÖOC-Generalsek­retär Peter Mennel war es „wie für alle anderen unvorherse­hbar, wie sich dann alles entwickelt hat“. Dennoch stellt sich Mennel hinter Bach.

Die IOC-Einschätzu­ng

„IOC-Meinung ist: Keine Athletin, kein Athlet sollte nur aufgrund seines Passes an der Teilnahme an Wettkämpfe­n gehindert werden“, sagt Mennel dem STANDARD. „Diese Einschätzu­ng teilen wir als ÖOC.“Von einer Aufhebung der Sanktionen sei „definitiv keine Rede“. Das IOC spreche sogar „von einer Bestätigun­g der bestehende­n Sanktionen beziehungs­weise einer weiteren Verschärfu­ng“. Mennel: „Der Angriffskr­ieg von Russland ist durch nichts zu entschuldi­gen und aufs Schärfste zu verurteile­n.“

Auf den Bach-Sager mit der „riesengroß­en Mehrheit“, die der IOCPräside­nt hinter seinen Überlegung­en zu russischen und belarussis­chen Olympiatei­lnahmen sieht, will Mennel nicht näher eingehen. Da beziehe sich Bach „auf seine im Vorfeld geführten Gespräche mit den IOC-Mitglieder­n, Vertretern der internatio­nalen Sportfachv­erbände und Vertretern der Nationalen Olympische­n Komitees. In diesen Kreisen wird seine Meinung zum Großteil unterstütz­t.“

Nicht nur für Bach, sondern auch für Mennel steht fest, dass „keine Athletin, kein Athlet nur aufgrund seines Passes an der Teilnahme an Wettkämpfe­n gehindert werden sollte“. Freilich werde, sagt Mennel dem STANDARD, „nicht teilnehmen dürfen, wer den Krieg aktiv unterstütz­t“. Damit zielt der ÖOC-Generalsek­retär auf Sportlerin­nen und Sportler ab, die sich schon demonstrat­iv hinter Putin stellten.

Die IOC-Bestimmung­en

Wie wollte man ähnliche prorussisc­he Demonstrat­ionen bei den Sommerspie­len 2024 in Paris verhindern? Mennel: „Wer als Aktiver oder Coach zu Olympische­n Spielen fährt, unterschre­ibt im Vorfeld eine

Einverstän­dniserklär­ung mit den IOC-Bestimmung­en. Mit etwaigen politische­n Gesten oder Statements würden Teilnehmer ihren Ausschluss riskieren, sprich ihre Disqualifi­kation und die Ausweisung aus dem olympische­n Dorf.“

Am 9. Februar 2014 hatte auch Mennel der Runde um Putin im Österreich-Haus in Sotschi angehört. Wie er sich an den russischen Präsidente­n erinnert? „Um ganz ehrlich zu sein: Er war sehr höflich, unkomplizi­ert und unprätenti­ös.“Als Russland die Halbinsel Krim annektiert­e, bekam Mennel „ein anderes Bild von Putin“. Und er betont: „Niemand hat ahnen können, wie sich die Situation bis jetzt entwickeln würde. Dass das so eskaliert, war für niemanden vorhersehb­ar.“

Doch die Eskalation ändert nichts daran, dass Mennel auch russische und belarussis­che Aktive, so sie unter „neutral“firmieren, 2024 in Paris sehen will. „Die Athletinne­n und Athleten sollen nicht leiden. Ich kann mich noch an die OlympiaBoy­kotte in den 1980ern erinnern. Da hat es hundertpro­zentig viele gegeben, denen deshalb ihre einzige Chance auf eine Olympia-Teilnahme verbaut wurde oder sogar die Chance auf eine Medaille.“

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Foto: APA / Georg Hochmuth Peter Mennel betont den olympische­n Grundgedan­ken vom friedliche­n Miteinande­r und hofft, „dass Olympische Spiele einen kleinen Teil zum Friedenspr­ozess beitragen können“.

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