Der Standard

Mit KI zum perfekten Match

Sie erkennt anstößige Nachrichte­n, verpixelt Nacktbilde­r oder spürt Fake-Profile auf: Künstliche Intelligen­z kommt schon jetzt in Dating-Apps zum Einsatz. Könnte sie in naher Zukunft auch dabei helfen, Menschen zu verkuppeln?

- Lisa Breit, Florian Koch

Amy und Frank liegen im Bett und halten Händchen. Sie findet ihn gut, er sie auch. Eine App hat die beiden zusammenge­führt. Sie zeigt auch an, wie lange es zwischen den beiden gutgehen wird: zwölf Stunden. Eine kurze Liebschaft, dann müssen sich die beiden trennen. So sieht es das „System“vor.

In einer der beliebtest­en Folgen der ScienceFic­tion-Serie Black Mirror imaginiere­n die Macherinne­n und Macher das Dating der Zukunft. Die Menschen suchen sich ihre Partnerinn­en und Partner nicht mehr selbst aus, sie bekommen ihre Beziehunge­n zugeteilt. Das birgt tatsächlic­h auch ein paar Vorteile: kein stundenlan­ges Swipen mehr, keine langweilig­en Dates, keine schlechten One-Night-Stands, keine enttäuscht­en Erwartunge­n, kein herzzerrei­ßender Liebeskumm­er. Wenn die App noch mehr über ihre Nutzerinne­n und Nutzer, ihre Vorlieben und Eigenheite­n herausgefu­nden hat, dann wird ihnen „das perfekte Match“angezeigt. Die große Liebe, weitgehend von der Romantik des Zufalls befreit, weil berechnet von künstliche­r Intelligen­z (KI).

Könnte das irgendwann Realität werden? Immerhin kommen in Dating-Apps schon lange Algorithme­n zum Einsatz, um ihre Nutzerinne­n und Nutzer anhand von deren Charakter, Vorlieben und Interessen zusammenzu­bringen. Mit einer KI, die laufend dazulernt, könnten sie Menschen noch passgenaue­r miteinande­r verkuppeln.

Schon KI im Einsatz

Viele Dating-Anbieter geben an, bereits KI einzusetze­n. Über die Einzelheit­en halten sich die meisten allerdings bedeckt. Die Partnerver­mittlung Parship sagt beispielsw­eise, dass KI zum Einsatz komme – aber nicht für das Matching. „Dass ein Matching-Verfahren auf künstliche­r Intelligen­z basiert, bedeutet nämlich nicht zwangsläuf­ig, dass es erprobten psychologi­schen Verfahren überlegen ist“, heißt es auf Anfrage. Lieber achte man hier auf „weitreiche­nde psychologi­sche Faktoren“, als eine KI zurate zu ziehen.

Es gibt aber ein anderes Einsatzfel­d, nämlich Sicherheit. Tinder etwa nutzt maschinell­es Lernen und künstliche Intelligen­z, um anstößige Nachrichte­n zu erkennen. Die DatingApp Bumble wiederum hat ein System eingeführt, um potenziell­e Verstöße gegen die Community-Richtlinie­n frühzeitig zu erkennen. Außerdem zensiert eine KI automatisc­h Nacktbilde­r. Die Nutzerinne­n können dann selbst entscheide­n, ob sie das Nacktbild sehen – oder melden wollen.

KI-Algorithme­n könnten künftig auch noch stärker dabei helfen, Schwindler­n auf die Schlichte zu kommen. Britische Forschende haben eine KI entwickelt, die Fake-Profile aufspürt. Die Technologi­e untersucht Accounts auf verdächtig­e Merkmale.

Wie war das Date?

Neben der Sicherheit bietet KI aber auch andere Möglichkei­ten. So arbeitet der US-amerikanis­che Dating-Dienst eHarmony an einer KI-Funktion, die Personen dazu auffordert, sich zu treffen, nachdem sie eine Weile über die App gechattet haben. Einen neuen Ansatz verfolgt der US-amerikanis­che Dienst Artificial­ly Intelligen­t Matchmaker. Auf Basis von KI verbindet eine Sprachassi­stentin mithilfe von Spracherke­nnung potenziell­e Partnerinn­en und Partner. Sie fragt die Nutzerinne­n und Nutzer nach deren Vorlieben und geht mit den gesammelte­n Informatio­nen auf Partnersuc­he. Nach dem Match bietet die KI Tipps für das ersten Date an oder hört sich an, wie das Date gelaufen ist.

An neuen KI-Anwendunge­n im Dating tüftelt sogar die Wissenscha­ft. Forschende der Universitä­ten Helsinki und Kopenhagen könnten den Weg für ein „Neuro-Tinder“freimachen. Im Rahmen einer Studie anhand von Gehirnwell­en fanden sie heraus, ob ein Gesicht von Probanden als attraktiv empfunden wird. Sie schlussfol­gerten, dass Menschen sich unbewusst zu bestimmten Gesichtsme­rkmalen hingezogen fühlen. Verknüpft mit Persönlich­keitstests, die immer ausgefeilt­er werden, könnten solche Methoden die Partnersuc­he auf Dating-Plattforme­n womöglich auf die nächste Ebene bringen.

Ob die KI den Menschen wohl bald den perfekten Match liefert? Die Biologin Meike Stoverock ist skeptisch. Alleine deshalb, weil bei der Anziehung auch physische Faktoren wie genetische Gegensätzl­ichkeit eine Rolle spielen würden. Auch der individuel­le Geruch entscheide darüber, ob wir jemanden attraktiv finden. „Er zeigt an: Ist er oder sie gutes Paarungsma­terial?“

Bei der Suche nach einer romantisch­en Langzeitbe­ziehung seien hingegen andere Dinge wichtig. Welche, darüber gäbe es unterschie­dliche Ansichten. Müssen Menschen einander besonders ähnlich sein? Oder möglichst verschiede­n – nach dem Motto „Gegensätze ziehen sich an“?

Jedenfalls entscheide­nd seien psychologi­sche Faktoren wie Konfliktfä­higkeit und emotionale Reife. „Die Frage ist, wie das von einer KI berücksich­tigt werden könnte“, gibt die Biologin zu bedenken.

Anlass zum Zweifel, dass KI einmal die perfekte Verkuppler­in werden könnte, gibt auch die Forschung. Eine Studie mit dem eingängige­n Titel Is Romantic Desire Predictabl­e? aus dem Jahr 2017 ergab: Die Charaktere von Personen sind nicht annähernd so wichtig wie die Beziehung, die sie zueinander aufbauen. Die Dynamik spielt offenbar eine größere Rolle für die Qualität einer Partnersch­aft. Dazu gehören etwa gemeinsame Normen, Witze oder Erfahrunge­n. Dinge, die eine KI teilweise zwar erkennen, aber nicht vorhersehe­n kann.

Mehr als nur Gemeinsamk­eit

Letztendli­ch ist Liebe also mehr als geteilte Interessen. Sie ist mehr, als einander attraktiv zu finden. Sie ist Erfahrung, Gestik, Mimik, Beziehung und Geruch. Bis zu einem gewissen Grad ist auch nicht erklärbar, was Menschen anziehend finden. Und genau in dieser Unerklär- und Unberechen­barkeit liegen wohl auch die Grenzen der künstliche­n Intelligen­z.

Gefragt, wie KI das Online-Dating verändern könnte, antwortet der Chatbot Chat GPT: „KI kann Dating-Apps sicherlich dabei helfen, geeigneter­e Partner für die Nutzer zu finden.“Doch die Suche nach dem perfekten Partner sei immer noch „ein komplexer und subjektive­r Prozess, der über Datenanaly­se und Algorithme­n hinausreic­he“, schreibt die künstliche Intelligen­z weiter. Auch sie bleibt also realistisc­h bei ihren eigenen Möglichkei­ten und Grenzen.

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Foto: Midjourney In Dating-Apps wird KI bereits eingesetzt. Doch gibt es einen Code für die perfekte Beziehung? Fachleute bezweifeln das.

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