Wie der Staat die Inflation anfacht
Die Inflation in der Eurozone sank auf 8,5 Prozent, in Österreich liegt sie bei über elf Prozent. Die Teuerung fällt in Österreich schon länger kräftiger aus. Welche Rolle spielen die hohen Staatshilfen?
Die Belgier, die Zyprioten, die Niederländer und auch die Italiener dürfen sich freuen. Die Teuerung ist in allen vier Ländern im Jänner 2023 spürbar zurückgegangen. Die Inflation liegt zwar immer noch über dem Zielwert von zwei Prozent, den die Europäische Zentralbank (EZB) vorgegeben hat. Aber in den genannten Staaten zeigen die Zahlen eine deutliche Trendwende. Diese positive Entwicklung ist in der Mehrzahl der Euroländer spürbar, wie die Statistikbehörde Eurostat am Mittwoch mitgeteilt hat. Die Inflation im Jahresabstand lag in der Eurozone im Jänner bei 8,5 Prozent, nach 9,2 Prozent im Dezember.
Deutlich anders ist die Entwicklung in Österreich: Hier weist Eurostat nach der einheitlichen EU-Berechnungsmethode eine Inflation im Jänner von 11,5 Prozent aus, nach 10,5 Prozent im Dezember. Die Teuerungskrise hat sich in Österreich damit sogar weiter verschärft.
Von den 20 Euroländern verzeichneten bei der Inflation im Jahresabstand 13 einen Rückgang, für zwei Länder lagen noch keine Daten vor, und mit Österreich stiegen bloß in fünf Staaten die Preise weiter an.
Warum ist das so, warum entwickelt sich die Situation in Österreich entgegen dem Trend? Eine mögliche Antwort: Verantwortlich sind die Energie- und Teuerungshilfen, die per Gießkanne verteilt wurden.
Österreich hat in den vergangenen zwölf Monaten beinahe monatlich neue Hilfen beschlossen: Eine Strompreisbremse für Haushalte wurde fixiert, ein Energiekostenzuschuss für Unternehmen, dazu wurde die kalte Progression abgeschafft. Es gab einen erhöhten Klimabonus von 500 Euro pro Erwachsenen, dazu Steuervergünstigungen für Pendler, höhere Zuschüsse für Familien. Unbestritten ist, dass diese Maßnahmen wenig zielgerichtet waren: Finanzstarke Haushalte profitierten ebenso wie finanzschwache. Geld gab es für alle.
Shopping mit den Schecks
Inflation entsteht, wenn die wirtschaftliche Nachfrage schneller wächst als das Angebot. Hat also der Staat mit dem Geldregen die Nachfrage und damit die Inflation befeuert? Der Chef des wirtschaftsliberalen Thinktanks Agenda Austria, Franz Schellhorn, meint, die Sache sei eindeutig: „Wenn der Staat in Phasen, in denen wir eine Angebotskrise erleben, permanent die Nachfrage befeuert, da muss man nicht der große Experte sein, um das festzustellen.“Schellhorn nennt als Beispiel die Stromkostenbremse, die laut Finanzministerium jedem Haushalt im Schnitt 500 Euro Ersparnis bringen wird. „Viele gehen mit diesem Geld einkaufen. Die ärmsten zehn bis zwanzig Prozent brauchen diese Unterstützung, vielleicht sogar mehr. Aber nicht die anderen.“Ein Blick in Restaurants und auf Skipisten zeige, dass die Nachfrage ungebrochen hoch ist.
Nachsatz Schellhorns: „Es wundert mich, dass von einigen Experten nicht mehr Gegenwehr kommt.“
Damit gemeint sein könnten die etablierten Forschungsinstitute. Beim Wifo heißt es seit Monaten, dass die Regierungshilfen die Teuerung nicht groß befeuern. WifoÖkonom Marcus Scheiblecker spricht davon, dass dieser Effekt „zu vernachlässigen ist“.
Wie er darauf kommt? Er verweist auf die Aussendung der Statistik Austria: Dort heißt es zu der im Jänner gestiegenen Inflation, dass „hauptverantwortlich dafür kräftige Preiszuwächse bei Haushaltsenergie“seien. Die Netzkosten haben sich verteuert, und die hier zugesagten Hilfen würden erst ab März greifen, so die Statistik.
Während unbestritten ist, dass Netzkosten Preise in die Höhe treiben, ist es auch eine Tatsache, dass der Warenkorb, anhand dessen die Inflation gemessen wird, aus hunderten Produkten besteht. Das führt dazu, dass einzelne Waren und Dienstleistungen nur ein kleines Gewicht im Index haben. Auf Strom und Gas entfallen in der Inflationsmessung zum Beispiel nur etwas mehr als drei Prozent der Ausgaben. Dass die Preise so stark über dem Vorjahr liegen, hängt damit zusammen, dass der Preisanstieg breit war, fast alle Produkte betroffen waren – und es keine Trendwende gab. Nur Energie kann es nicht sein.
Österreich zieht davon
Das legt auch eine Analyse des Neos-Lab nahe. Der Thinktank der Oppositionspartei zeigt in einer Auswertung, dass in Österreich die Kerninflationsrate seit Monaten stärker steigt als im Schnitt des Euroraums. Die Kerninflation lag in Österreich im Dezember bei 7,6 Prozent und im Euroraum bei 5,2 Prozent. Neuere Daten gibt es nicht.
Das ist interessant, weil bei der Kerninflationsrate die Entwicklung der Preise ohne Energie und Lebensmittel gemessen wird. Die Kerninflationsrate bezieht dafür Restaurantbesuche, Urlaube und die Entwicklung bei Konsumgütern mit ein. Hier spielt die Nachfrage in Österreich eine wichtigere Rolle.
Neos-Lab-Chef Lukas Sustala: „Österreich hat in der Pandemie und der Energiekrise mit die höchsten Staatshilfen pro Kopf ausgegeben. Das hat natürlich nun auch die Inflation mit angefacht, was sich auch daran zeigt, dass die Teuerung auch jenseits von Gas und Strom deutlich stärker zugelegt hat als im europäischen Schnitt.“
Tatsache ist, dass bisherige Analysen zeigen, dass Österreich zwar nicht weniger treffsicher agiert als andere Staaten, aber mehr ausgibt. Ein Paper des Internationalen Währungsfonds zeigt, dass sich die bisherigen Hilfen 2022 und 2023 auf vier Prozent der heimischen Wirtschaftsleistung summieren. Im EU-Schnitt belaufen sich diese Zuwendungen dagegen nur auf 2,4 Prozent des BIP.
Das arbeitnehmernahe Momentum-Institut verweist auf einen anderen Punkt, nämlich dass es auch darauf ankommt, wie Geld verteilt wird. Momentum-Ökonom Oliver Picek: „Österreich hat die meisten Milliarden gegen die Teuerung per Gießkanne ausgeschüttet. Auch Spanien und Frankreich geben viel aus. Sie setzen aber stärker auf Preiskontrollen und Preisbremsen, die direkt Preiserhöhungen dämpfen. Das bewahrte Haushalte beim Heizen oder bei ihrer Miete vor einer zweiten Welle an Preissteigerungen durch die Unternehmen im Herbst, die in Österreich voll zugeschlagen hat.“