Absturz eines indischen Milliardärs
Der Aktiencrash bei der Adani-Gruppe hat ihren Börsenwert um 100 Milliarden Dollar verringert. Indiens Opposition fordert eine parlamentarische Untersuchung des Freundes von Präsident Modi.
Es ist ein Bericht, der den indischen Gründer Gautam Adani (60), Chef des gleichnamigen Konglomerats, in schwere Bedrängnis bringt. Adani war mit einem Nettovermögen von 127 Milliarden Dollar bis vor einer Woche der weltweit drittreichste Mann in der Forbes-Liste. Doch der US-Leerverkäufer Hindenburg hatte Zweifel an Zahlen zur Verschuldung und zu den Vermögenswerten des Konglomerats geäußert und erklärt, auf fallende Kurse bei Unternehmen der Adani Group zu wetten. Seitdem sinkt der Aktienkurs, und die Ereignisse spitzen sich zu.
Der von Hindenburg ausgelöste Aktiencrash bei Adani hat mittlerweile die Marke von 100 Milliarden Dollar (91,8 Milliarden Euro) Wertverlust überschritten. Die Aktien der beteiligten Unternehmen rauschten am Donnerstag erneut in die Tiefe, als Adani eine erfolgreich gezeichnete Aktienplatzierung von 2,5 Milliarden Dollar wieder zurückzog, um die Investoren – wie er sagt – vor möglichen Verlusten zu schützen.
Adani hatte mit der erneuten Platzierung von Aktien große Investoren ins Boot geholt, um sich gegen den Ausverkauf seiner Gruppe zu stemmen. Börsianer sahen die erfolgreiche Zweitplatzierung als Hinweis, dass der Konzern die Unterstützung der Großanleger habe.
In einer Videoansprache teilte Adani am Donnerstagmorgen dann aber mit: „Das Interesse meiner Investoren steht an erster Stelle, und alles andere ist zweitrangig.“Den Rückzug werteten Marktteilnehmer als dramatischen Rückschlag für Adani, der als Schulabbrecher zum ehemals reichsten Mann Asiens aufgestiegen war.
Sorgen um Finanzsystem
Der massive Kursrutsch der Adani-Aktien schürt unter Marktteilnehmern mittlerweile auch die Sorge vor Auswirkungen auf das indische Finanzsystem. Im indischen Parlament riefen Abgeordnete AntiAdani-Slogans, die Sitzung wurde ausgesetzt.
Die indische Zentralbank forderte die lokalen Banken auf, Einzelheiten über ihr Engagement bei der Adani-Gruppe zu nennen, wie die Nachrichtenagentur Reuters aus Regierungs- und Bankenkreisen erfuhr. Die Investmentgruppe CLSA geht davon aus, dass indische Banken im Finanzjahr bis März 2022 etwa 40 Prozent der Schulden der Adani-Gruppe von umgerechnet rund 24,5 Milliarden Dollar in ihren Büchern hatten.
Eine Sparte der Citigroup habe am Donnerstag beschlossen, das Geschäft mit Krediten, die mit Adani-Wertpapieren abgesichert sind, zu stoppen, erfuhr Reuters von einem Insider. In der Hauptstadt Neu-Delhi reichten Abgeordnete der Opposition im indischen Parlament Anträge ein, in denen sie eine Diskussion über den Hindenburg-Bericht verlangten. Die Kongresspartei will eine Untersuchung durch einen parlamentarischen Ausschuss.
Fakten auf den Tisch
Adani hat den Vorwurf des Missbrauchs von Steueroasen, wie es im Hindenburg-Bericht steht, zurückgewiesen. Ebenso die im Bericht angegebene hohe Verschuldung des Konglomerats. „Wenn Adani nicht in der Lage ist, das Vertrauen der institutionellen Anleger zurückzugewinnen, werden sich die Aktien im freien Fall befinden“, sagt Avinash Gorakshakar, Experte bei Profitmart Securities in Mumbai.
Adani kam am 24. Juni 1962 in der Stadt Ahmedabad im westindischen Bundesstaat Gujarat zur Welt, aus dem auch Indiens Ministerpräsident Narendra Modi stammt. Die Opposition hat Adani und anderen Superreichen in der Vergangenheit mehrfach vorgeworfen, von Modis Regierung bevorzugt zu werden. Adani hat auch das stets bestritten. Adanis Familie gehörte der Mittelklasse an. Nach der zehnten Klasse, im Alter von 15 Jahren, brach er die Schule ab. Als Mittzwanziger gründete er schließlich 1988 die Adani-Gruppe und begann mit dem Handel von Rohstoffen.
Mittlerweile umfasst sein Firmenimperium Häfen, Flughäfen, Minen, Speiseöl, Energieerzeugung, erneuerbare Energien, Medien und Zement. Sieben Unternehmen sind börsennotiert, allen voran Adani Enterprises. Der Unternehmer ist mit der Zahnärztin Priti Adani verheiratet und hat zwei Söhne, Karan und Jeet. Der ältere Sohn Karan ist Leiter von Adani Ports and SEZ, Indiens größtem privatem Hafenbetreiber. Adanis Bruder Rajesh sitzt im Verwaltungsrat von Adani Enterprises. Adanis Neffe Pranav gehört dem Vorstand an und leitet die Geschäftsbereiche städtische Gasversorgung, Landwirtschaft, Immobilien und natürliche Ressourcen.
Er sei eher ein schüchterner Typ, sagte Adani im Jänner in einer TVShow. Dabei ist er Kontroversen gewohnt. Zuletzt klagte er die Regierung des südindischen Bundesstaats Kerala und die Anführer von Fischern, die gegen den Bau eines Hafens protestierten. (Reuters)