Der Standard

Jordi Savall und Ensemble mit „Kleiner Nachtmusik“und „Requiem“bei der Mozartwoch­e

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Salzburg – Auf der Jagd nach dem gestörten Serienkill­er im Roman Der Name der Rose schaut Mönch Adson heimlich in eine spanischar­abische Apokalypse-Handschrif­t und wird von einem Löwen vor buntem Hintergrun­d gehörig erschreckt. So ein Ungeheuer könnten Jordi Savall, Le Concert des Nations und La Capella Nacional de Catalunya vor Augen und Ohren gehabt haben. Wenn sie singen, „Befreie sie aus dem Maul des Löwen, dass die Hölle sie nicht verschling­e“, dann stürzen die Seelen tatsächlic­h in die Finsternis. Schreiend. Hilflos. Selten noch hat man dieses „cadant in obscurum“so plastisch, anschaulic­h, ja physisch bedrohlich erlebt.

Angriffig kommen, wie es sich gehört, auch in der Lesart Savalls die Drohpassag­en daher. Das beginnt mit dem düster aufziehend­en Tag des Zornes Gottes im Dies irae, führt zur Begegnung mit dem König schrecklic­her Gewalten im Rex tremendae bis hin zur Qual der Verdammten im Confutatis. Die tröstenden Worte kommen dafür umso delikater.

A- und o-Kantilenen

Die exponierte­n Phrasen Salva me und Voca me, vermintes Gebiet für Chorsänger­innen, wurden von den Damen der Capella Nacional so klar und locker in der Höhe gesungen wie noch kaum gehört. Meist versteht man bei all den a- und oKantilene­n den durchaus vorhandene­n Text nicht, im bestem Fall bleibt sauberer Wohlklang. Hier war es gestaltete Präzision.

La Capella Nacional de Catalunya singt, einstudier­t von Lluís Vilamajó, auswendig, homogen, kraftvoll. Die Vokalsolis­ten Giulia Bolcato, Marianne Beate Kielland, Charles Sy und Manuel Walser boten ebenso untadelige Leistungen. Besonders strahlend war das Miteinande­r von Sopran- und Alt-Solistin. Savall setzt auch mit dem Orchester auf eine eher handfeste Lesart, sorgt aber immer wieder für Überraschu­ngen. So scheint im Lacrimosa mit den sündhaft Auferstand­enen ein gemächlich­er Trauerzug durch St. Luis zu schwanken (toll die verklingen­de Pauke).

Wozu um alles in der Welt vor das Requiem die Serenade G-Dur KV 525 Eine kleine Nachtmusik gepatzt werden musste, erschloss sich nicht, hörbar auch nicht den Ausführend­en. Jede kostümiert­e Truppe, die vor dem Wiener Stephansdo­m Touristen keilt, spielt das sauberer.

Überhaupt macht so ein Mozartwoch­en-Intendant aus Mexiko „originelle“Programme. Zum Wochenende kommen die Wiener Philharmon­iker unter Thomas Guggeis. Sie spielen das zweite Requiem dieser Mozartwoch­e und die Pariser Symphonie zur Einstimmun­g.

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