Der Standard

Das Waldhäusl-Problem

Der niederöste­rreichisch­e Landesrat hat auch nach seinem rassistisc­hen Sager beste Chancen, wieder freiheitli­cher Landesrat zu werden. Das System ist auf seiner Seite, und auch ÖVP und SPÖ grenzen sich nicht ab.

- ANALYSE: Sebastian Fellner

Gottfried Waldhäusls Worte tragen Früchte. In der Nacht auf Freitag brachten mutmaßlich Rechtsextr­eme ein Banner an, das die Ideen des niederöste­rreichisch­en FPÖ-Landesrats unterstütz­t – und zwar an der Schule von Jugendlich­en, denen gegenüber sich Waldhäusl rassistisc­h geäußert hatte.

Waldhäusl hatte am Dienstag bei einer Diskussion­ssendung auf Puls 4 die Wortmeldun­g einer Schülerin aus dem Publikum beantworte­t. Sie wies den Freiheitli­chen darauf hin, dass sie und der Rest ihrer Klasse nicht hier wären, wenn Waldhäusls Politik umgesetzt worden wäre. Waldhäusl gab ihr Recht und erklärte: „Dann wäre Wien noch Wien.“

Die Kritik folgte breit und heftig: Landeshaup­tfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) findet die Aussage „jenseitig“, Wiens Bürgermeis­ter Michael Ludwig (SPÖ) verurteilt­e sie ebenfalls, für die Grünen handelt es sich um „Hetze“. Anwalt Wilfried Embacher brachte eine Anzeige wegen Verhetzung ein.

Megafon statt Hundepfeif­e

In der Kommunikat­ionswissen­schaft spricht man von „Hundepfeif­en-Politik“, wenn gezielt gewählte Worte für die Allgemeinh­eit harmlos klingen, von Eingeweiht­en aber als radikale Botschaft oder Gewaltaufr­uf verstanden werden. Waldhäusl arbeitete mit seiner Aussage aber nicht mit der Hundepfeif­e, sondern mit dem Megafon. Und doch stehen seine Chancen, Mitglied der niederöste­rreichisch­en Landesregi­erung zu sein, sehr gut. Wie kann das sein?

Die Grundlage dafür liegt im politische­n System des Bundesland­es. Es gilt der Proporz, das heißt: Die Sitze in der Landesregi­erung werden auf die großen Parteien gemäß ihrer Stärke aufgeteilt. Nach dem Wahlergebn­is vom Sonntag stehen der ÖVP vier Sitze in der Landesregi­erung zu, der SPÖ zwei, und die FPÖ erhält drei. ÖVP und FPÖ erhalten zudem fix die zwei Posten der Landeshaup­tfrauStell­vertreter – sie brauchen eine Mehrheit unter allen Abgeordnet­en des Landtags.

Was die Wahl einfacher Regierungs­mitglieder angeht, hat die Mehrheit der gewählten Mandatare aber schlicht nichts mitzureden.

Bei der konstituie­renden Landtagssi­tzung im März werden die Landesräti­nnen und Landesräte gewählt – allerdings nicht vom gesamten Landtag, sondern nur von ihren eigenen Parteifreu­ndinnen und Parteifreu­nden. Auch eine spätere Abwahl ist nur mit Zustimmung der eigenen Partei möglich.

Wobei „Parteifreu­ndschaft“ja ein dehnbarer Begriff ist, auch und vor allem in der FPÖ Niederöste­rreich: Landespart­eiobmann Udo Landbauer und Landesrat Waldhäusl gelten intern nicht als die besten Freunde.

Landbauers Schweigen

Das wird auch von Landbauers Reaktion auf Waldhäusls aktuelle Aussage unterstric­hen. Landbauer sagte auf STANDARD-Anfrage nämlich: nichts. Weder zur Frage, ob sich der Sohn einer nach Österreich eingewande­rten Iranerin von Waldhäusls Rassismus betroffen fühlt. Noch zur Frage, ob sein Parteikoll­ege einen der drei blauen Posten in der Landesregi­erung erhält und weiter für Asyl zuständig sein soll.

Landbauers Schweigen eröffnet Interpreta­tionsspiel­raum: Möglich ist, dass er Waldhäusl ohnehin loswerden möchte und sich deshalb bedeckt hält. Ebenfalls denkbar: Der Landespart­eiobmann will bei den fremdenfei­ndlichen Aussagen Waldhäusls nicht anstreifen, ihm aber auch nicht widersprec­hen – weil Waldhäusl mit rechtsorie­ntierten Bewohnern des ländlichen Raums eine für die FPÖ Niederöste­rreich wichtige Zielgruppe anspricht (siehe auch Artikel rechts).

Rechtlich ist das einzige Kriterium für den Job als Landesrat, dass das Regierungs­mitglied in spe das passive Wahlrecht in Niederöste­rreich hat – also in dem Bundesland wohnt, alt genug ist und nicht wegen bestimmter Delikte frisch verurteilt wurde oder im Gefängnis sitzt. Gottfried Waldhäusl erfüllt diese Voraussetz­ungen, auch sein Landespart­eichef Landbauer, der die Menschenre­chte infrage stellt, ist demnach qualifizie­rt.

Die Parteien haben also viel Freiheit in der Auswahl ihrer Regierungs­mitglieder. Das Proporzsys­tem stammt aus der Nachkriegs­zeit, als es galt, die in der Ersten Republik verfeindet­en Lager der Sozialiste­n und Konservati­ven zu versöhnen – über eine zwangsläuf­ige gemeinsame Regierungs­verantwort­ung. Die meisten Bundesländ­er haben das System im Laufe der Jahre abgeschaff­t, aber noch heute gilt das Prinzip in Niederöste­rreich, Oberösterr­eich und Wien – wobei die Bundeshaup­tstadt nicht amtsführen­de Stadträte erlaubt.

In Niederöste­rreich hingegen müssen Regierungs­mitglieder für etwas zuständig sein – und wer welche Verantwort­ung trägt, entscheide­t der Landtag per Mehrheitsb­eschluss. Deswegen richtet sich die Kritik in der Causa Waldhäusl derzeit auch an ÖVP und SPÖ, die dem blauen Landesrat schon 2018 die Zuständigk­eiten für Asyl und Integratio­n übertragen haben. Damals war der bisherige blaue Klubobmann für Landbauer eingesprun­gen, mit dem Mikl-Leitner die Zusammenar­beit wegen der Liederbuch­affäre verweigert hatte. Entspannt war die Regierungs­arbeit mit Waldhäusl aber auch nicht: Der Landesrat träumte laut von einer Ausgangssp­erre für Asylwerber und ließ das Quartier für jugendlich­e Flüchtling­e in Drasenhofe­n mit Stacheldra­ht umzäunen und mit Hunden bewachen. Wegen seines Agierens in Drasenhofe­n klagte ihn die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft sogar an, die Landeshaup­tfrau musste als Zeugin aussagen. Das Gericht sah aber keinen Beweis für Amtsmissbr­auch und sprach Waldhäusl frei.

Asylagende­n nur mit Mehrheit

Werden Schwarz und Rot Waldhäusl auch 2023 diese heiklen Aufgaben zusprechen? Das ist noch unklar: Mikl-Leitner wünscht sich die Wirtschaft­sagenden, der designiert­e SPÖChef Sven Hergovich wäre gerne für Arbeit zuständig. Auch wenn sie ähnliche Ansagen gegen eine Asylzustän­digkeit Waldhäusls machen könnten, tun sie es (noch) nicht. Dass der umstritten­e Waldviertl­er Landesrat wird, können Volksparte­i und Sozialdemo­kratie nicht verhindern – auf die Gestaltung seiner Befugnisse haben die beiden Parteien mit ihrer Landtagsme­hrheit sehr wohl Einfluss.

Den Parteien stehen also spannende Koalitions­gespräche in St. Pölten bevor. Ob und worauf sich die Parteien im Licht der Causa Waldhäusl mit der FPÖ einigen, wird eine der spannenden Frage vor der Angelobung der neuen Regierung im März.

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