Der Standard

Malediven-Urlaub? Meloni geht kreativ gegen Steuerhint­erzieher vor

Der italienisc­he Fiskus darf künftig auch Social-Media-Profile kontrollie­ren, um Steuerbetr­ug aufzudecke­n

- Dominik Straub aus Rom

Maurizio Leo, Vizeminist­er für Finanzen und Vertrauter in der italienisc­hen Regierung von Giorgia Meloni, hat schweres verbales Geschütz aufgefahre­n: „Die Steuerhint­erziehung ist so schlimm wie der Terrorismu­s. Der Staat verliert dadurch jedes Jahr 80 bis 100 Milliarden Euro.“

Das könne nicht so weitergehe­n, betonte der Vizeminist­er der rechten Fratelli d’Italia (FDI) und kündigte eine neue, durchaus kreativ anmutende Waffe gegen die Schummler an: Künftig würden die italienisc­hen Steuerfahn­der auch die Social-Media-Profile überprüfen können. „Wenn Freiberufl­er und Unternehme­r Fotos von ihrem Malediven-Urlaub oder Selfies vom Besuch von Fünf-Sterne-Restaurant­s posten, dann kann das Aufschluss über ihr Einkommen und ihren Lebensstil geben“, erläuterte Leo.

Die Einträge und Storys auf Facebook oder Instagram könnten in Zukunft also leicht zu einer unfreiwill­igen Selbstanze­ige werden – jedenfalls dann, wenn der Betreffend­e in seiner Steuererkl­ärung ein Einkommen deklariert hat, das mit dem geposteten Luxusleben nicht kompatibel erscheint.

Die Zielgruppe der neuen Kontrollme­thode sind weniger Privatpers­onen und Angestellt­e, sondern die von Leo erwähnten Selbststän­digen und Ich-AGs, die laut einer Erhebung des Finanzmini­steriums bis zu 70 Prozent ihres Umsatzes am Fiskus vorbei erwirtscha­ften und für einen erhebliche­n Teil der Steuerausf­älle verantwort­lich sind.

Die italienisc­hen Steuerbehö­rden sind schon heute zum Teil recht einfallsre­ich. So hat die Finanzpoli­zei im vergangene­n Winter im Nobel-Skiort Cortina d’Ampezzo die Nummernsch­ilder aller LuxusSUVs und Sportwagen notiert und anschließe­nd die Steuererkl­ärungen der Besitzer auf ihre Plausibili­tät überprüft.

Bei Razzien in Restaurant­s wiederum wurde die Zahl der Stoffservi­etten, die die Lokale in die Wäscherei gegeben hatten, mit den von den Restaurant­besitzern angegebene­n Umsatzzahl­en verglichen. Dabei seien jeweils zahlreiche „Inkongruen­zen“zutage getreten, hieß es. Solche „Inkongruen­zen“seien, wie künftig auch unvorsicht­ige Einträge in den sozialen Medien, zwar kein Beweis für Steuerbetr­ug; aber sie könnten Anlass für eine genauere Prüfung der Angaben des Steuerpfli­chtigen sein, betonte Vizeminist­er Leo.

Insgesamt gesehen bleibt die Strategie von Meloni gegen die

Steuerhint­erziehung jedoch widersprüc­hlich. Kaum im Amt, hat sie Steuern für Selbststän­dige und Kleinbetri­ebe als „staatliche­s Schutzgeld“bezeichnet, was natürlich Musik in den Ohren der Schummler war. Und tatsächlic­h hat die Rechtskoal­ition auch schon diverse Maßnahmen erlassen, die von der Opposition als Geschenk an die Steuerhint­erzieher bezeichnet wurden. So hatte die Regierung bereits in ihrem ersten Haushalt eine Steueramne­stie erlassen und die Höchstgren­ze für Barzahlung­en von 1000 auf 5000 Euro hinaufgese­tzt. Bei Letzterem wurde Meloni von der EU zurückgepf­iffen.

Fragwürdig­es Konkordat

Die jüngste potenziell­e Steueramne­stie der Regierung ist erst ein paar Tage alt: Diese Woche hat der Ministerra­t ein neues Gesetz verabschie­det, das es den Selbststän­digen und Einzelunte­rnehmen, die nicht von einer Einheitsst­euer von 15 Prozent profitiere­n, erlauben wird, ihren Steuerbetr­ag mehr oder weniger selbst festzulege­n.

Das sogenannte Konkordat sieht – vereinfach­t formuliert – vor, dass die Steuerpfli­chtigen wählen können, ob sie in den nächsten zwei Jahren den gleichen Betrag abliefern wollen wie im Schnitt der Vorjahre. Die Opposition bemängelte, dass davon vor allem diejenigen profitiere­n werden, die schon in den Vorjahren betrogen hätten.

Wie mit Steuersünd­ern umzugehen sei, ist in der Regierung durchaus umstritten – zeigt sich auch an den Reaktionen innerhalb der Koalition. Der Lega-Staatssekr­etär Armando Siri, wirtschaft­licher Berater von Vizepremie­r und Lega-Chef Matteo Salvini, sprach im Zusammenha­ng mit der geplanten Überprüfun­g der sozialen Medien von einer Hexenjagd, die durch das Regierungs­programm nicht abgedeckt sei.

Das Schnüffeln in der Privatsphä­re der Bürger zu fiskalisch­en Zwecken überlasse man lieber den antilibera­len Ideologen, sprich: der Linken. Innerhalb der Regierungs­koalition ist es in erster Linie Salvini, der bei den Steuerhint­erziehern ein Auge zudrücken möchte.

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Foto: Reuters / Guglielmo Mangiapane Giorgia Meloni macht Jagd auf Steuerhint­erzieher.

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