Der Standard

Causa Signa kostet hochrangig­en Schweizer Banker den Job

Philipp Rickenbach­er, Chef von Julius Bär, tritt zurück, nachdem das Institut der Signa rund 600 Millionen Euro geborgt hat

- Joseph Gepp

Österreich­s Großbanken waren mit René Benkos Signa-Konzern gut im Geschäft. Sie vergaben Kredite von rund 2,2 Milliarden Euro, wovon rund zwei Drittel auf Bank Austria und Finanzinst­itute des Raiffeisen­sektors entfallen.

Im Nachbarlan­d Schweiz kostet ein ähnliches Engagement den Chef der Privatbank Julius Bär nun den Job.

Wegen fauler Kredite an die straucheln­de österreich­ische Immobilien­gruppe tritt Julius-Bär-Chef Philipp Rickenbach­er mit sofortiger Wirkung zurück, bestätigte das Institut am Donnerstag Berichte vom Vortag. Solange kein fixer Nachfolger gefunden ist, übernimmt Stellvertr­eter Nic Dreckmann. Auch die Boni von Rickenbach­er und fünf weiteren Geschäftsf­ührern, die an den Kreditents­cheidungen beteiligt waren, werden gestrichen.

Schweizer Aufsicht prüft

In der Schweiz gibt es wegen des Signa-Engagement­s bereits seit Monaten Kritik an Julius Bär. Unter anderem steht das Institut seit November unter Beobachtun­g der Schweizer Bankenaufs­icht Finma.

Im selben Monat setzte das Zürcher Geldhaus auch wegen der Signa-Kredite eine Gewinnwarn­ung für 2023 ab, der Aktienkurs stürzte daraufhin ab. Im Jahr 2022 hatte die Bank noch einen Überschuss von 950 Millionen Franken (rund 980 Millionen Euro) erzielt; nun musste Julius Bär die Rückstellu­ng für Kredite kurzfristi­g massiv erhöhen.

Das Volumen der Kredite an die Signa beträgt 586 Millionen Franken (rund 600 Millionen Euro); Julius Bär gehört damit zu den größten Signa-Kreditgebe­rn. Die Bank gab bekannt, dass sie die Kredite an eine nicht genannte Unternehme­nsgruppe im – Insidern zufolge die Signa – vollständi­g abschreibe.

„Es gab zwar keine Verstöße gegen interne oder externe Regeln und Vorschrift­en, aber wir haben das Risiko im Zusammenha­ng mit diesem besonderen Engagement falsch eingeschät­zt“, erklärte JuliusBär-Verwaltung­sratspräsi­dent Romeo Lacher am Donnerstag. Es habe sich bei den Signa-Krediten um das „größte Engagement in unserem Private-Debt-Geschäft“gehandelt – dass eben dieses „unseren Konzerngew­inn für 2023 signifikan­t beeinträch­tigt hat“, dafür „möchte ich mich bei unseren Aktionären, unseren Kunden und unseren Mitarbeite­rn entschuldi­gen“. Die Einlagen bei der Bank würden laut Julius Bär trotz der Causa „sehr, sehr stabil“bleiben.

Der abgetreten­e Chef Rickenbach­er, ein früherer McKinsey-Berater, trat seinen Posten im Jahr 2019 an. Damals war das Institut von Skandalen in Zusammenha­ng mit zweifelhaf­ten Kunden gebeutelt. Rickenbaue­r gelang es, die Lage zu stabilisie­ren – bis die Causa Signa daherkam. Marktanaly­sten begrüßen den Rücktritt. Er hätte aber schon viel früher geschehen müssen, Daniel Bosshard, Analyst der Luzerner Kantonalba­nk. „Der Reputation­sschaden ist immens, da sich das Institut immer als reine Privatbank vermarktet hat.“

Die Anleger an der Börse freute es trotzdem: Die Julius-Bär-Aktien legten sogleich mehr als vier Prozent zu.

Mit dem Insolvenza­ntrag gegen René Benko, mit dem die Finanzprok­uratur Steuerschu­lden des Tiroler Investors eintreiben und Nachschuss­pflichten betreffend der insolvente­n Signa sicherstel­len möchte, wird es jetzt persönlich für Benko. Die Republik will an sein privates Vermögen heran, damit Verluste für Steuerzahl­erinnen und Steuerzahl­er minimiert werden und Gläubiger nicht auf der Strecke bleiben.

Benkos jahrelange hochriskan­te Wette, dass niedrige Zinsen und gute Kontakte in die Politik einen dauerhafte­n unternehme­rischen Höhenflug ermögliche­n, kollabiert heute auf bittere Weise. Und abseits von Benkos Investoren tragen viele andere Akteure Schaden davon: kleine Geschäftsp­artner und Dienstleis­ter der Signa, die um ihre Honorare umfallen; Handelsang­estellte, die mehr als je zuvor um ihre Jobs bangen; die Republik, bei der Steuerford­erungen offen sind.

Kein Wunder, dass sich angesichts dessen die öffentlich­e Debatte weitgehend um die Person Benko dreht – und mitunter fast so etwas wie Rachegelüs­te in der Luft liegen. Aber auf eines ist zu verweisen: Nicht Benko allein ist an der Misere schuld. Es ist auch ein Versagen weiter Teile der deutschen und österreich­ischen Business-Elite, von der kein Mucks zu hören gewesen war, ehe das Konstrukt spektakulä­r zusammenbr­ach.

Fast von Anbeginn seiner Karriere fungierte Benko als eine Art Ein-Mann-Investment­haus für Superreich­e aus dem Inund Ausland – und zwar immer mehr, je erfolgreic­her er wurde. Dass der Signa-Konzern hochgradig intranspar­ent war, was dubiosen Praktiken potenziell Tür und Tor öffnet? Dass viel Geld der Signa mutmaßlich in privaten Luxus versickert­e? Dass mittels bilanziell­er Immobilien­aufwertung­en immer mehr Geld geborgt und das Gebilde weiter aufgeblase­n wurde? Dass dieses Spiel nur funktionie­rte, solange die Zinsen niedrig waren? Manches davon war offensicht­lich; anderes hätte sich herausfind­en lassen. Allein – es interessie­rte niemanden, solang Renditen flossen.

Dies gilt umso mehr, weil es sich bei Benkos Investoren weitgehend nicht um Kleinanleg­er handelte, die man leicht täuschen kann – sondern um Reiche. Sie verfügen über Beraterstä­be und Family-Offices, die imstande sein sollten, Geschäftsb­erichte zu analysiere­n und Anlageents­cheidungen zu evaluieren. Die Causa Signa als alleiniges Versagen von Benko darzustell­en ist zu billig. Viele andere hängen mit drin.

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F.: Reuters/Wiegmann Abtritt wegen Signa-Krediten: Julius-Bär-Chef Rickenbach­er.

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