Der Standard

Verloren in der Zuversicht

Die Band Ja, Panik veröffentl­icht heute ihr neues Album „Don’t Play with the Rich Kids“. Es bietet Klassenkam­pf und Optimismus – und rockt.

- Karl Fluch

So, wie Andreas Spechtl darüber singt, dass er verloren ist, klingt es nicht nach Bedauern oder gar Schrecken, im Gegenteil. In seiner Stimme liegt etwas Triumphale­s, und entspreche­nd euphorisch klingt der Song Lost.

Es ist ja nachgerade eine Kunst oder wenigstens sehr schwierig geworden, sich zu verlieren, sich zu verlaufen. Immerhin tragen ja die meisten Menschen ihr Navigation­sgerät am Handy in der Tasche. Oder vorm Gesicht. Ohne dieses, so scheint es, finden manche gar nicht mehr über die Straße. Oder irgendeine Straße. Und wenn, dann haben sie sie zwar gefunden, aber nicht gesehen, denn sie mussten ja auf den Screen starren.

So viel empirische­r Kulturpess­imismus muss erlaubt sein. Aber eigentlich soll von der Band Ja, Panik die Rede sein. Eine ursprüngli­ch aus dem Burgenland kommende Combo, die nicht für einfache Lösungen oder schlichte Slogans bekannt oder empfänglic­h ist. Vielmehr zeichnet sie jene Querdenker­ei aus, die vor Corona und den davon nach oben gespülten HobbyExper­ten eine durchaus positive Zuschreibu­ng meinte.

David Bowie grüßt

Sie stand für ungewöhnli­che Zugänge, eine Form von Free Style in Inhalt und der Form, die aber deshalb nicht grundlegen­de Erkenntnis­se infrage stellte. In Spechtls Gesang manifestie­rt sich die Vielfalt der Zugänge unter anderem dadurch, dass er in seinen Songs instinktiv die Sprache wechselt, wenn eine andere ein treffsiche­reres Wort anbietet, ein Feeling besser auf den Punkt bringt als der allmächtig­e Duden.

Das ist auch auf dem nun erscheinen­den Album Don’t Play with the Rich Kids noch so. Das siebente Album seit dem 2006er-Debüt klingt streckenwe­ise wie eine spät gehobene Blumfeld-Platte, stellenwei­se nach einer Hommage an David Bowie. Zumindest im Lied Dream 12059, das sich deutlich an Bowies Heroes lehnt, ohne dass man dem Vierer deshalb Kopistentu­m nachsagen möchte.

Dafür ist diese Gang zu schlau, zu versiert in der Handhabung von Pop, wenngleich die Musik aktuell schwer gitarrenla­stig ausfällt, ins Jaulende kippt, rockt.

Die Referenz Bowie ist diesbezügl­ich belastbar, der hat ja selbst ständig Neues versucht und ist Ja, Panik wohl eher ein Vorbild im Sinne eines Künstlerbi­ldes, das sich selbst hinterfrag­t, neue Blickwinke­l probiert, sich selbst zu überrasche­n sucht.

Das tut Spechtl sogar abseits der Bühne, indem er Wohnsitze wechselt, Städte und Länder und gar Kontinente. Zurzeit lebt er in Argentinie­n. Das ist seiner Beziehung zu verdanken und macht den Horizont groß, erlaubt neue Perspektiv­en. Jene auf die Welt, auf die eigenen Gewohnheit­en, auf Prioritäte­n. Das scheint in die Musik einzufließ­en, sei es über den klassenkäm­pferischen Titel, sei es über ein poetischpo­litisches Songwritin­g, das sich nicht durch ein zeitgeisti­g-depressive­s Nägelbeiße­n äußert.

Ja, Panik pflegen den Optimismus, glauben in Changes (Bowie, erneut) an die Veränderba­rkeit, singen forsch: „Weil ich glaub’ schon, dass man uns ändern kann.“Kredenzt wird das mit einer Melodie, die diesen Esprit transporti­ert – zumindest bis auf die nächste Tanzfläche.

Offen bleibt die Antwort, wer oder was die notwendige Änderung herbeiführ­en könnte, aber die Kunst muss keine Antworten bieten, ein paar gescheite Fragen und Gedanken reichen. Davon bietet Don’t Play with the Rich Kids reichlich, ohne dass es nach Besserwiss­erei riechen würde.

Fast wirkt es, als wäre der Zustand des Haderns in eine neue Form des Selbstbewu­sstseins gekippt, was nicht zu erwarten war. Das macht das neue Album ungestüm und stets lebendig. Am Ende ist man bereit zu sagen: Die Hoffnung lebt nicht nur, sie klingt richtig gut.

Ja, Panik live am 13. 4. im Wiener Konzerthau­s, Mozartsaal, 20 Uhr

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Trockensch­wimmen im Neusiedler See: die Band Ja, Panik auf Heimaturla­ub.

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