Der Standard

„Schwäche zeigen ist stark“

- Melanie Raidl dst.at/TV-Tagebuch

W„KRATKY SUCHT DAS GLÜCK“AUF ORF 1

ir sind da noch in einem archaische­n, veralteten Rollenbild gefangen“: So beginnt Musiker und Kabarettis­t Paul Pizzera in der ORF-Talkshow Kratky sucht das Glück Mittwochna­cht auf ORF 1 mit Moderator Robert Kratky und zeigt damit auf, was viele in puncto Feminismus vergessen. Männer sind mitgemeint, Männer müssen nicht immer stabil und stark sein und alles aushalten. Es ist wichtig, sich einzugeste­hen, dass man keine Lebensfreu­de mehr empfindet und sich antriebslo­s fühlt.

Paul Pizzera erzählt, wie er schon vor neun Jahren bemerkte, sich selbst nicht mehr zu erkennen, und abseits der Bühne nur noch im Bett sein wollte. Und weil „vier Bier und a Hawara“keine wirkliche Therapie bedeuten, habe er es bei einem profession­ellen Therapeute­n versucht.

Schnell gerät auch die Politik in die Mangel: Dass sich „Therapie auf Krankensch­ein nicht ausgeht“, sei nicht mehr zeitgemäß. In einem Sozialstaa­t sollte genau das möglich sein, betont Kratky. Und da kommen die beiden zu dem Thema Privileg. In der Diskussion über Psychother­apie ginge es immer auch um die Kosten und die Verfügbark­eit.

Soll jemand, der viel erreicht hat und nach außen hin erfolgreic­h ist, über psychische Probleme sprechen? Auf jeden Fall, ist sich Pizzera sicher. „Es hilft niemandem, wenn man nichts sagt“, betont er. Und man treffe auch kaum jemanden, bei dem sich nichts tue, wenn man ihm ‚Schwäche‘ zeige, ergänzt Kratky. Pizzera rundet mit einer Feststellu­ng ab, die den Zahn der Zeit besser trifft als das eingangs erwähnte Immer-stark-Sein: „Schwäche zeigen ist stark.“Ausrechenb­are Souveränit­ät sei langweilig – kurzum: Keiner muss sich anpassen, nur um stabil zu wirken.

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