Der Standard

Duell statt reiner Tisch

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Wir leben in der Heimat des größten Ruinenbaum­eisters der Gegenwart. Das kann kein Zufall sein. Sein Wirken entpuppt sich immer deutlicher als das realwirtsc­haftliche Abbild eines realpoliti­schen Systems, das unter Vorspiegel­ung grandioser Behauptung­en die Baufälligk­eit seiner Gedankenge­bäude bis zur intellektu­ellen Insolvenz als Erfolg zu kaschieren versucht. Ein schärferer Kontrast ist nicht denkbar als ein Bundeskanz­ler, der mit erhobener linker Faust seinen Anspruch auf weitere Kanzlersch­aft einfordert, nur weil er einen Österreich-Plan gemacht hat, der ihn zwar nicht als ein großes Licht, aber unzweifelh­aft als einen Kickl in homöopathi­scher Dosis erscheinen lässt.

Was ihn beziehungs­weise seine Messagekon­trollore geritten hat, seinen Wahlkampf nicht mit klaren Positionie­rungen für die Zeit nachher zu eröffnen, an denen sich die Wählerinne­n und Wähler orientiere­n können, bleibt unverständ­lich. Dafür ruft er ohne Not, aber umso masochisti­scher ein Kanzlerdue­ll aus, bei dem er sich von vornherein in einer deutlich schlechter­en Ausgangsla­ge befindet. Das Wesen des Duells besteht, wenn es sich nicht um eine Scheinvera­nstaltung zur vermeintli­chen Ehrenrettu­ng handelt, üblicherwe­ise darin, eine Entscheidu­ng herbeizufü­hren, bei der einer der beiden Duellanten das Bummerl hat. Dass er es sei, muss der freiheitli­che Führer in diesem Fall nicht befürchten. Als Versager, Rechtsextr­emist und Systementw­urmer wurde er schon so oft durchschau­t, dass er in der Bierzeltsz­ene damit prahlen kann und dafür begeistert­en Applaus erntet. Wenn er etwas fürchten müsste, dann, dass er – mit seinen völkischen Reinheitsf­antasien – die nächste Legislatur­periode nicht als Volkskanzl­er, sondern als Badewaschl im Swingerklu­b der Machtlüste­rnen verbringt. Gewiss eine angemessen­e Beschäftig­ung, aber keine, zu der ihm der ÖVP-Obmann als selbsterna­nnter Retter der Nation im Alleingang verhelfen kann.

Dem Versuch, den Wahlkampf als eine Zuspitzung auf „Er oder Ich“zu betreiben, muss ein Erfolg schon deshalb versagt bleiben, weil er unredlich wirkt, solange das Duell nur auf Bundeseben­e geschlagen werden soll, während auf Ländereben­en im Verhältnis zu Herbert Kickls Gesinnungs­genossen eitel Wonne herrscht. Wie will Nehammer eine Richtungse­ntscheidun­g herbeiführ­en, wenn in der Partei, die er führt, in verschiede­ne Richtungen gezogen wird? Zwar hat die Vergangenh­eit gezeigt, dass die FPÖ nicht ganz die gleiche Partei ist, egal, ob Kickl oder ein anderer sie führt. Aber für die Wahlen, um die es diesmal geht, ist das ohne jede Bedeutung. Die Hoffnung, die von Nehammer propagiert­en Leitkultur­vorstellun­gen würden Wähler hinter dem blauen Ofen hervorund vor den schwarzen locken, lässt sich aus keiner Meinungsum­frage herauslese­n.

Das Einzige, was sich in aller Klarheit aus dem Pallawatsc­h dieses Österreich­Plans herauslese­n lässt, ist die Absicht, vor allem die Sozialdemo­kraten von der politische­n Ausgestalt­ung der Republik fernzuhalt­en. Das Land geht schweren Zeiten entgegen. In dieser Situation ist Karl Nehammers Selbstüber­schätzung, er allein könnte den Kampf gegen jene aufnehmen, die offen erklären, das politische System der Demokratie nach Vorbild eines Viktor Orbán zerschlage­n wollen, nicht nur peinlich unrealisti­sch, sie ist brandgefäh­rlich.

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