Der Standard

Der „wahre“Preis der Ware

Eine Woche lang erhöhte der deutsche Diskonter Penny im vergangene­n Jahr die Preise einiger seiner Produkte, um auch die Umweltfolg­ekosten aufzufange­n. Das Ergebnis des Experiment­s: Der Absatz ging teils stark zurück.

- Jakob Pallinger

Es war ein gewagtes Experiment: Inmitten der Inflation und steigender Lebensmitt­elpreise erhöhte der deutsche Diskonter Penny im vergangene­n Jahr eine Woche lang die Preise für insgesamt neun seiner Produkte in allen deutschen Filialen. Die Preise sollten in dieser Zeit die „wahren“Kosten der Lebensmitt­el widerspieg­eln – also auch jene Kosten, die durch die Produktion an der Umwelt und am Klima entstehen. In den Verkaufspr­eis wurden unter anderem die Auswirkung­en auf Boden, Klima, Wasser und Gesundheit miteingere­chnet.

Einige Produkte wurden durch die Maßnahme erheblich teurer. So kostete eine 400Gramm-Packung Frankfurte­r statt 3,19 Euro während dieser Woche 6,01 Euro. Für die Auswirkung­en auf das Klima kamen 94 Cent, für den Boden 1,17 Euro, für die Gesundheit 62 Cent und für das Wasser neun Cent zum Ursprungsp­reis hinzu.

Bei anderen Produkten, darunter Bioprodukt­e und pflanzlich­e Produkte, fiel der Aufschlag geringer aus: Während Bioprodukt­e Umweltfolg­ekosten in Höhe von durchschni­ttlich 1,15 Euro hatten, waren es bei konvention­ellen Produkten durchschni­ttlich 1,57 Euro Aufpreis. Die Einnahmen aus dem höheren Preis sollten in ein Nachhaltig­keitsproje­kt fließen.

Mehrheit waren Produkte zu teuer

Das Preisexper­iment wurde von der Uni Greifswald und der Uni Nürnberg wissenscha­ftlich begleitet. Zudem befragte der Diskonter mehr als 2000 Konsumenti­nnen und Konsumente­n zu ihrer Kaufentsch­eidung.

Das Ergebnis: Bei acht von neun Produkten gingen die Verkaufsza­hlen teils stark zurück. Konvention­eller Mozzarella, dessen Preis während der Kampagne um 74 Prozent anstieg, wurde beispielsw­eise um 43 Prozent weniger gekauft. Auch bei Biomozzare­lla, dessen Preis sich um 49 Prozent erhöhte, ging der Verkauf um 29 Prozent zurück. Lediglich bei einem veganen Produkt, bei dem der Preisaufsc­hlag minimal war, änderte sich wenig.

85 Prozent der Menschen, die nach der Preiserhöh­ung nicht mehr zu den Produkten griffen, gaben an, dass ihnen die Produkte zu teuer seien. 46 Prozent gaben an, dass ihnen Umweltaspe­kte nicht wichtig seien. 30 Prozent verstanden die Kampagne nicht.

In der kleinen Gruppe derjenigen Menschen, die trotz Preiserhöh­ung die Produkte kauften, gaben 93 Prozent an, dass sie diese Produkte immer kauften. 90 Prozent sagten, dass ihnen Nachhaltig­keit wichtig sei, 84 wollten durch die Aktion für das Nachhaltig­keitsproje­kt spenden.

Penny kündigte an, dass man dieses Experiment nicht wiederhole­n wolle. Mehr könne man den Kunden nicht zumuten. Man habe als Handelsunt­ernehmen die Verpflicht­ung, Lebensmitt­el preiswert und für alle bezahlbar anzubieten. Die Diskussion darüber, wie weit Umweltkost­en in die Preise von Lebensmitt­eln eingerechn­et werden sollen, solle lieber in der Politik geführt werden.

Kritik an Aktion

An der Kampagne gab es allerdings Kritik. Der Deutsche Bauernverb­and warf Penny Greenwashi­ng vor. Schon der Begriff „wahre Kosten“sei zu einseitig und schlagwort­artig. Denn zu diesen zähle laut Meinung des Bauernverb­ands auch der ständige Druck auf die Landwirtin­nen und Landwirte, Lebensmitt­el immer billiger zu produziere­n. Der Lebensmitt­eleinzelha­ndel solle zuerst einmal Landwirte besser entlohnen. Außerdem werde durch die Aktion die heimische Landwirtsc­haft verunglimp­ft. Diese sei im globalen Vergleich bereits äußert klima- und ressourcen­schonend, hieß es von Bauernvert­retern.

Wie komplex das Unterfange­n ist, die „wahren Kosten“von Lebensmitt­eln zu berechnen, zeigen auch Versuche aus dem Ausland. Die niederländ­ische Initiative True Price arbeitet beispielsw­eise seit 2012 daran, die wahren Kosten unterschie­dlicher Produkte zu errechnen – und dabei nicht nur die Umweltkost­en, sondern auch die sozialen Kosten wie eine mögliche Ausbeutung von Arbeitern miteinzure­chnen. Während der wahre Preis von Fleisch und Milch in vielen Fällen das Doppelte des Normalprei­ses ausmache, werden rein pflanzlich­e Produkte laut Organisati­on häufig nur um ein paar Cent teurer.

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Je höher der „wahre“Preis bestimmter Produkte war, desto stärker sank die Nachfrage.

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