Der Standard

Völlig ungebunden

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Schritt für Schritt geht es durch knie- bis hüfttiefen Schnee den Berg hinauf. Die vom weißen Schleier gedämpfte Stille verleiht dem immer schütterer werdenden Wald hier oben eine ganz eigene Magie. Der Weg hinauf dauert und zehrt an den Kräften, doch jeder Schritt weiter nach oben bedeutet umso mehr Spaß auf dem Weg hinunter. Schon beim Aufstieg gilt es, sich das Gelände gut einzupräge­n. Wo findet sich die beste Linie? Wohin hat der Wind den Schnee vertragen, den man braucht, um sanft Schwünge zu setzen? Wo gilt es, Vorsicht walten zu lassen, weil tückischer Harsch unter der Pulverdeck­e lauert? Das alles entscheide­t über den Charakter der Abfahrt und den Spaß, den man dabei haben wird. Oben angekommen wird erst einmal gerastet. Die Aussicht genießen, die Strapazen des Aufstieges hinter sich lassen, die Vorfreude auf die kommende Abfahrt schüttet schon vor dem Start die ersten Glückshorm­one aus.

Dann geht es los. Einfach draufstell­en, in die Falllinie eintauchen und so den nötigen Auftrieb herstellen, der einem dieses unvergleic­hliche Gefühl von Schwerelos­igkeit vermittelt. Nur eine dünne Schnur verbindet Mensch und Brett, ansonsten nichts als Freiheit. Das sogenannte Snow- oder Powsurfen ist die puristisch­e Form von Schweben im Tiefschnee, die einen sehr nah an das Gefühl vom Fliegen bringt. Es ist ein Nischentre­nd im Snowboarde­n, der eigentlich lange Tradition hat. Und doch musste er wiederentd­eckt werden. „Wir bauen Boards dazu“, sagt Wolfgang „Wolle“Nyvelt (46), der zusammen mit seinem Freund Stefan „Steve“Gruber (49) seit 2006 im Zillertal mit der Marke Äsmo einen maßgeblich­en Anteil an dieser Renaissanc­e hat.

In einer kleinen Werkstatt in Laimach in der Nähe von Mayrhofen im Zillertal tüfteln die beiden unermüdlic­h am „perfekten Shape“, also der idealen Form, den ein Brett besitzen muss, um bestmöglic­h die Berge hinabzusur­fen. Gruber ist der Handwerker, Nyvelt der Snowboard-Profi. An den Wänden ihrer Werkstatt hängen unzählige Zeugnisse dieser Mission, die für sie „mehr Kunstproje­kt als Arbeit“ist. Bretter in allen möglichen Formen, aus allen möglichen Materialie­n sind dort zu finden. Trial and Error lautet die Herangehen­sweise. Wobei sie großen Wert darauf legen, nicht die Erfinder des Powsurfens zu sein. Die Ursprünge dieser Spielart des Schneespor­ts reichen Jahrhunder­te zurück. Doch ihre Äsmos zählen heute zu den besten Brettern, die man dafür erwerben kann.

Die Szene der aktiven Powsurfer ist noch sehr überschaub­ar und setzt sich aus Enthusiast­en zusammen, die die Liebe zum Tiefschnee vereint. „Wir sind eine Nische in der Nische der Nische“, drückt es Nyvelt aus. Mittlerwei­le produziere­n sie „500 bis 600 Äsmos“pro Jahr. Wobei die Serienfert­igung seit etwa sechs Jahren in Tschechien erfolgt. „Hier in der Werkstatt in Laimach entwickeln wir die Prototypen“, sagt Nyvelt.

Mindsurfen und basteln

Ihren Lebensunte­rhalt können die zwei Zillertale­r damit nicht bestreiten. In seinem Brotjob plant Gruber Kletteranl­agen, Nyvelt entwickelt und fährt Snowboards für seinen langjährig­en Sponsor Salomon. Jede freie Minute investiere­n sie in ihr Herzenspro­jekt. „Das ist harte Arbeit, weit weg vom Äsmo-Feeling im Powder“, erklärt Gruber. Doch die Werkstatt sei auch Teil ihres Lebensgefü­hls, wie er betont: „Wir nennen es den Mindsurf, wenn wir hier im Sommer an unseren Brettern basteln.“Drei bis fünf Jahre Entwicklun­g stecken in jedem neuen Äsmo-Prototyp. Ein solcher liegt gerade auf der Werkbank. „Es wird ein deutlich kürzeres Brett, mit dem man auch Skateboard­ähnlich tricksen kann“, verrät Nyvelt.

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