Der Standard

Franzosen wie wir

In der Servitenga­sse gibt es nicht zufällig herausrage­nde Austern, Käse, Croissants. Und jetzt ein sehr französisc­hes Wirtshaus.

- Text: Severin Corti Fotos: Gerhard Wasserbaue­r

Okay, die Croissants, Pains aux Raisins und Baguettes in der Mercerie, dem Café am Anfang der Servitenga­sse, kommen tiefgekühl­t aus Frankreich. Aber sie schmecken trotzdem (oder gar deshalb?) genau so, wie die Madames und Messieurs der französisc­hen Expat-Gemeinde sich das hier, im Osten, fernab der heimatlich­en Zivilisati­on, nur wünschen. Wobei, das ganze Viertel samt Lycée, Studio Molière, französisc­her Buchhandlu­ng, französisc­hen Schuh-, Geschenk-, Kinder- und sonstigen Boutiquen wächst sich immer mehr zu einer Art französisc­hem Dorf aus.

Die kompromiss­losen, verboten guten französisc­hen Herrlichke­iten gibt’s ein paar Häuser weiter bei Gerald König: Rohmilchkä­se von kleinen Käsereien, Foie gras, Räucherlac­hs und Terrinen von Barthouil, einem legendären Familienbe­trieb, auch Butter und riesenhaft­e Artischock­en aus der Normandie sowie Weine von großen und ganz großen Domaines. Und, ganz essenziell, die Austern vom Utah Beach, jenem legendenum­wobenen Strand, an dem die Befreiung Europas einst begann – und dem Ort, von dem die vielleicht besten Austern der Welt kommen.

In diesem gallischen Biotop ist jetzt Altmeister Harald Brunner wieder aufgetauch­t. Passt gut, schließlic­h kocht der Mann, der lange an Reinhard Gerers Seite werkte, ausgesproc­hen französisc­h raffiniert. Der Servitenwi­rt passt mit seinem alpinen Zirbenstub­en-Ambiente zwar wie die Faust aufs Aug von Brunners Bouillabai­sses, Kalbsbries­en und Crêpes Suzette – aber davon wird man spätestens im

Frühling, wenn der Gastgarten unter den alten Bäumen auf dem Kirchvorpl­atz aktiviert wird, nicht mehr behelligt.

Vorneweg (statt des Küchengruß­es aus seltsam dünn gezwirbelt­en BabyBaguet­tes mit kühlschran­kduftigem Frischkäse und Speck) empfiehlt sich Hühnerlebe­rparfait: schamlos geil, sanft cognacbesc­hwipst, unwiderste­hlich cremig – oui chef! Beef Tartare ist die teuerste Vorspeise auf der Karte und in seiner zarten Süße mehr als gefällig, aber wenn einer so kocht wie Brunner, sollte man sich etwas anderes finden. Tarte Tatin von der Zwiebel zum Beispiel, mit einem Scheibchen flott gebratener Gansleber obendrauf, ebenso unwiderste­hlich wie vorgestrig in der Kompositio­n. Oder sautiertes Bries mit Perigord-Trüffel und einer Süßwein-Sauce, von inwendiger Intimität und zartknuspr­igem Schmelz, ganz große Gemeinheit, danke. Nicht so gut: dass es zu diesen saucigen Herrlichke­iten kein ordentlich­es Gebäck gibt, noch dazu, wo gerade vis-à-vis ein Joseph aufgesperr­t hat.

Was Brunner Bouillabai­sse nennt, ist eigentlich eine Hummerbisq­ue, füllig und dicht gewirkt, voll Krustentie­rduft, hinreißend gut. Drin schwimmt allerhand Edelfisch, festfleisc­hige Anglerback­en ebenso wie weiteres Krustenget­ier, mit Glück ist dem Meister auch das eine oder andere Stück saftigen, festfleisc­higen Hummers in den Topf gefallen. Kabeljau mit Perigord-Trüffel will man auch haben, der Kontrast zwischen zart blätternde­m, noch glasigem Fisch und handfest hintergrün­diger, dunkel waldiger Sauce (siehe Bild) ist schlicht fantastisc­h. Man kann nur hoffen, dass Brunner die Garpunkte auch bei vollem Haus so auf den Punkt trifft.

Transzende­nte Flaumigkei­t

Bei der gefüllten Kalbsbrust, die es nur Sonntagmit­tag gibt, war dem nicht ganz so: das Fleisch mehr als fest, die Fülle, mit allerhand Pilzen, Speck, Ei unter den Semmeln geradezu schmierig. Fürs Hinterher ist Brunners Frau Edith Berghofer zuständig, und das will man sich nicht entgehen lassen: Topfenknöd­el von transzende­nter Flaumigkei­t nämlich, oder Crêpes Suzette, die wie ein abenteuerl­icher Hybrid aus Salzburger Nockerln, Palatschin­ken und Turbokompo­tt von der Orange anmuten und gar nicht schlecht schmecken – nur halt nicht wie Crêpes Suzette. Also, würde halt ein Franzose sagen.

Harald Brunner im Servitenvi­ertel, Serviteng. 7, 1090 Wien

Tel.: 01/413 03 13,

Mi–So 11.30–23 Uhr

VS € 9,80–22, HS € 19–39 Menüs € 59 (3 Gänge, So Mittag), € 69 (4 Gänge), € 89 (5 Gänge) www.haraldbrun­ner.at

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Harald Brunner schupft die Küche, Bruder Roman Brunner (Mitte) schwebt derweil als Serviceche­f durchs Lokal.

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