Der Standard

Freunde sollen wie Ehepartner füreinande­r sorgen

Der deutsche Justizmini­ster Marco Buschmann (FDP) plant die „Verantwort­ungsgemein­schaft“mit finanziell­em Vorteil

- Birgit Baumann aus Berlin

Menschen sollen Verantwort­ung füreinande­r übernehmen – diesen Leitgedank­en hat die deutsche Ampel schon in ihrem 2021 geschlosse­nen Koalitions­vertrag festgelegt. Darin heißt es: „Wir werden das Institut der Verantwort­ungsgemein­schaft einführen und damit jenseits von Liebesbezi­ehungen oder der Ehe zwei oder mehr volljährig­en Personen ermögliche­n, rechtlich füreinande­r Verantwort­ung zu übernehmen.“

Nun hat der deutsche Justizmini­ster Marco Buschmann (FDP) Eckpunkte vorgelegt. Geplant ist, dass sich bis zu sechs volljährig­e Personen, die einander nahestehen, zu einer „Verantwort­ungsgemein­schaft“zusammensc­hließen und beim Notar einen Vertrag unterzeich­nen können. Buschmann denkt dabei an Freunde oder an Seniorinne­n und Senioren, die vielleicht schon in einer Wohngemein­schaft leben – aber eben nicht verheirate­t sind. So soll in einer gesundheit­lichen Notsituati­on ein Mitglied der Verantwort­ungsgemein­schaft Auskunft von behandelnd­en Ärzten verlangen können und andere Partner vertreten können, wenn diese dazu nicht in der Lage sind. Buschmann lässt außerdem prüfen, ob die Regeln des Pflegezeit­gesetzes und des Familienpf­legezeitge­setzes über die Pflege von nahen Angehörige­n auch auf die Verantwort­ungsgemein­schaft übertragen werden können. In diesem Falle könnten sich pflegende Partnerinn­en und Partner von der Arbeit freistelle­n lassen.

Auch finanziell könnte die Gemeinscha­ft Vorteile bringen. Entschließ­en sich Menschen, die weder miteinande­r noch mit anderen verheirate­t sind, für eine „Zugewinnge­meinschaft“, dann würde im Trennungsf­all das Vermögen ausgeglich­en werden. Es kämen die Regeln zum „Zugewinnau­sgleich“zwischen Ehepartner­n zur Anwendung.

Buschmann versichert, dass sein Modell keine „Ehe light“sei: „Am besonderen Schutz von Ehe und Familie wird sich durch die Einführung der Verantwort­ungsgemein­schaft nichts ändern. Sie wird Menschen das Leben etwas leichter machen – aber niemandem etwas wegnehmen.“So sind keine steuer- oder erbrechtli­chen Erleichter­ungen geplant. Statt „Ehe light“spricht der Justizmini­ster lieber von einer Art „Wahlverwan­dtschaft“.

Der Queer-Beauftragt­e der Regierung, Sven Lehmann von den Grünen, begrüßt die geplanten Neuerungen. „Für queere Menschen wird die Verantwort­ungsgemein­schaft eine Möglichkei­t, ihre Wahlfamili­e rechtlich abzusicher­n“, sagte der Parlamenta­rische Staatssekr­etär im Bundesfami­lienminist­erium den Zeitungen des Redaktions­netzwerks Deutschlan­d (RND). Oft sei es die Wahlfamili­e, die „aufgrund von Ablehnung nach dem Coming-out den Platz der Herkunftsf­amilie eingenomme­n hat“, erklärte Lehmann. Die Mitglieder helfen und unterstütz­en sich im Alltag und in Notfällen gegenseiti­g.

Lob gibt es auch vom Sozialverb­and Deutschlan­d (SoVD). Lebensumst­ände, Partnermod­elle und Familiensy­steme hätten sich seit vielen Jahren sehr verändert, sagte die SoVD-Vorstandsv­orsitzende Michaela Engelmeier dem RND. „Dem Rechnung zu tragen ist ein guter Ansatz – vor allem in Zeiten, in denen die Quote der Alleinlebe­nden immer weiter steigt und die Gesellscha­ft immer mehr altert.“Wenig begeistert ist hingegen die Union. CDU-Rechtsexpe­rte Günter Krings warnt vor der „Vielehe“und sagt: „Niemand wird kontrollie­ren können, welcher Art die Verbindung zwischen den Menschen in einer solchen Verantwort­ungsgemein­schaft ist.“

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Füreinande­r da sein – auch wenn man kein (Liebes-)Paar ist: Das ist der Gedanke hinter der „Verantwort­ungsgemein­schaft“.

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