Der Standard

Als Flüchtling­e getarnte Agenten planten Anschlag

Schwedisch­e Medien enthüllten angebliche Mordpläne gegen den Vorsitzend­en des jüdischen Zentralrat­s

- Nikolai Atefie aus Karlstad

Im Herbst 2015, als sich hunderttau­sende Migranten und Migrantinn­en in Europa verteilten, wurden auch viele am Grenzbahnh­of Malmö im Süden Schwedens von Freiwillig­en willkommen geheißen, mit Suppe und Wasser versorgt. Die Menschen erzählten, dass sie Schutz suchen würden – vor Krieg, Zerstörung, persönlich­er Verfolgung, wegen ihrer Ethnie oder ihrer sexuellen Ausrichtun­g.

Unter ihnen befanden sich laut Recherchen von Sveriges Radio auch Salma und ihr Ehemann Foad. Als sie in Schweden um Asyl ansuchten, konnte ihr Mann keinen Ausweis vorlegen, einzig sein Wort galt. Laut seiner Geschichte fürchtete er damals um sein Leben. Wegen eines Streits mit der Familie seiner Ehefrau würden diese Verwandten ihn umbringen wollen – und die afghanisch­e Polizei würde ihnen nicht helfen, sondern sie im Gegenteil auch verfolgen. Sogar der Präsident habe die Mordpläne in Bezug auf Foad unterstütz­t.

Später schickte Salma ihre afghanisch­en Identitäts­dokumente ausgedruck­t ans Amt in Schweden. Doch Ausstellun­gsdatum und Alter des Bildes stimmten nicht überein, und auch die Unterschri­ft des afghanisch­en Beamten waren unvollstän­dig – klassische Anzeichen einer Fälschung. 2016, während des anhängigen Asylverfah­rens, erhielt die schwedisch­e Migrations­behörde anonyme Tipps: Foad und Salma würden lügen und eigentlich aus dem Iran kommen; sie seien gefährlich­e Mitglieder der gefürchtet­en und von den USA als Terrororga­nisation eingestuft­en iranischen Revolution­sgarde. Trotzdem gewährte die Migrations­behörde kurz darauf dem vermeintli­chen afghanisch­en Flüchtling­spaar Asyl. Eine Entscheidu­ng, die fast in einer Katastroph­e geendet hätte.

Unauffälli­g und frei

Das Paar lebte mehrere Jahre unauffälli­g und frei in Schweden, bis es im April 2021 in der Gegend von Stockholm von der Polizei verhaftet wurde. Investigat­ivreporter von Sveriges Radio konnten jetzt die wahren Hintergrün­de enthüllen: Salma und Foad sollen eigentlich Fereshteh S. und Mahdi R. heißen und iranische Staatsbürg­er sein. Die schwedisch­e Sicherheit­spolizei vermutet, dass sie im Auftrag des iranischen Regimes Anschläge auf drei jüdische Bürger geplant hatten. Eines der Ziele soll Aron Verständig gewesen sein, Vorsitzend­er des jüdischen Zentralrat­s in Schweden. „Ich hatte Angst, aber ich wurde auch wütend, dass ein anderer Staat Mordpläne gegen schwedisch­e Bürger schmiedet“, sagt er zu Sveriges Radio.

Die Kontakte der Terrorverd­ächtigen mit dem Iran seien bewiesen, ebenso wie das Ausspionie­ren der Opfer, sagt Staatsanwa­lt Hans Ihrman. „Hätten sie ihre Pläne ausgeführt, wären die Konsequenz­en für Schweden groß gewesen.“Um andere Ermittlung­en nicht zu gefährden, hat ein ausländisc­her Geheimdien­st wichtige Beweismitt­el nicht für einen Gerichtspr­ozess freigegebe­n. Und da die schwedisch­e Beweislage nicht für eine Anklage ausreichte, wurde das Paar 2022 des Landes verwiesen, sie reisten daraufhin aus.

Die schwedisch­e Migrations­ministerin Maria Malmer Stenergard nimmt den Fall sehr ernst und arbeitet an einem besseren Informatio­nsaustausc­h zwischen den Behörden bei Sicherheit­sfragen im Asylprozes­s. Die schwedisch­e Migrations­behörde teilte mit, dass man alle internen Vorgaben befolgt habe und dass keine weitere Untersuchu­ng des Falles nötig sei. Fereshteh S. und Mahdi R. erklärten sich für „nicht schuldig“, Irans Botschaft in Stockholm wollte zu den Vorwürfen keine Stellung nehmen.

 ?? Foto: Imago / TT / Henrik Montgomery ?? Die Polizei ermittelte gegen zwei angebliche Flüchtling­e.
Foto: Imago / TT / Henrik Montgomery Die Polizei ermittelte gegen zwei angebliche Flüchtling­e.

Newspapers in German

Newspapers from Austria