Der Standard

Wie Städte Autos wegbekämen

Hat sich eine Stadt politisch geeinigt, den Motorverke­hr zu reduzieren, lautet die nächste Frage: Wie? Viele Maßnahmen sind komplex – aber es gibt auch einfache und schnelle Lösungen.

- Sebastian Fellner

Wenig Platz und viele Menschen: Städte sind ein Brennpunkt in der Frage, wie Verkehr organisier­t sein soll. Weil sich viele Menschen von A nach B bewegen und das Leben verstärkt im öffentlich­en Raum stattfinde­t. Und weil der öffentlich­e Verkehr im dicht belebten Gebiet entweder gut ausgebaut oder gut auszubauen wäre, liegt eine Forderung nahe: Autos sollen aus den Städten möglichst verdrängt werden.

Aber wie? Aufsehen erregte zuletzt wieder einmal die Pariser Bürgermeis­terin Anne Hidalgo: Für schwere Autos bezahlt man in der französisc­hen Hauptstadt auf Hidalgos Initiative hin künftig immense Parkgebühr­en. In Österreich kann sich nur Graz eine ähnliche Regelung vorstellen, und auch dort bräuchte es zuerst gesetzlich­e Grundlagen, die im Landtag zu beschließe­n wären.

Das Pariser Modell hat darüber hinaus zwei große Haken: Erstens gilt es nur für Autos von außerhalb der Stadt, „Einheimisc­he“sind ausgenomme­n. Das mindert den verkehrsbe­ruhigenden Effekt. Zweitens muss die Regelung technisch über mit der Kreditkart­e verknüpfte Gewichtsda­ten des abgestellt­en Fahrzeugs abgewickel­t werden. Ganz schön komplex.

Wenn die hohen Emissionen durch den Autoverkeh­r aber schnell runter sollen, müssen auch rasche Lösungen her. Zum Beispiel:

Weniger Parkplätze

Je schwierige­r die Suche nach einem Abstellpla­tz ist, desto eher lassen Menschen das Auto zu Hause. „Der Pkw-Besitz in Wien ist auch deshalb gesunken, weil es weniger Parkplätze gibt“, sagt Martin Fellendorf vom Institut für Straßen- und Verkehrswe­sen der TU Graz. Das Auto habe „immer einen Vorteil gegenüber dem öffentlich­en Verkehr, aber man kann es unbequemer machen“. Dazu gehöre etwa, das Parken vor der Haustür zu begrenzen. Gleichzeit­ig sei es wichtig, dass für Handwerker­innen oder Menschen mit Gehbehinde­rung Stellplätz­e vor Ort bereitstün­den.

Fahrspuren anders nutzen

Wie der verfügbare Platz in Städten genutzt wird, ist eine politische Frage – und auch eine des Wordings. Torsten Perner von der dänischen Beratungsa­gentur Ramboll sagt zum Beispiel lieber, dass Radfahrern und Fußgängeri­nnen eine Spur gegeben wird, als dass Autos eine abhandenko­mmt. Der Effekt solcher Umverteilu­ngsmaßnahm­en sei eindeutig: „Die Leute fahren mehr Rad.“Entscheide­nd sei dabei, dass das subjektive Sicherheit­sgefühl durch Abgrenzung­en vom Autoverkeh­r hergestell­t wird: „Wenn ich Angst haben muss, verletzt zu werden, dann fahre ich nicht – das ist doch ganz logisch“, sagt Perner, dessen Arbeitgebe­r etwa Städte bei solchen Projekten begleitet.

Wenn Kommunen die Infrastruk­tur für „aktive Mobilität“schafften, werde sie auch genutzt – und der Autoanteil sinke. „In Kopenhagen sagt kaum jemand, dass er wegen der Umwelt oder der Gesundheit Fahrrad fährt – sondern weil es bequem und schnell ist.“

Preise rauf ...

Beide Experten erkennen in der Preisgesta­ltung des Autoverkeh­rs einen Effekt. Der einfachste Hebel dafür sind Parkgebühr­en. Die Kosten für das Straßenpar­ken für Anwohner seien etwa oft „viel zu günstig für den Platz, den man beanspruch­t“, sagt Verkehrsfo­rscher Fellendorf. „Für alle anderen Verwendung­szwecke würde der Preis viel höher sein.“

Perner sieht in Kostenstei­gerungen vor allem „psychologi­sche Effekte“am Werk: „Wenn ich um sechs Euro entweder mein Auto abstellen oder eine Tageskarte für die Öffis kaufen kann, fällt vielen die Entscheidu­ng für die Öffis leichter.“Den „Rieseneffe­kt“sieht er in solchen Maßnahmen allerdings nicht, da seien Angebot und Sicherheit wichtiger.

... und Tempo runter

Wie schnell man mit dem Auto unterwegs ist, ist oft Gefühlssac­he: „In der tatsächlic­hen Reisezeit ist der Einfluss gering, in der Entscheidu­ng der Verkehrsmi­ttelwahl auf jeden Fall größer“, sagt Fellendorf über Tempolimit­s. Wer das Gefühl hat, in der Stadt stets „schleichen“zu müssen, wird eher andere Verkehrsmi­ttel wählen – sofern es dort ein gutes Angebot gibt.

Perner erkennt in strengeren Tempolimit­s vor allem eine Möglichkei­t, die Sicherheit für alle anderen Verkehrste­ilnehmer zu erhöhen.

Grundvorau­ssetzung für all das ist freilich eine politische Entscheidu­ng, den Autoverkeh­r in der Stadt zu reduzieren. Auch dann müssen alternativ­e Angebote so gut ausgebaut sein, dass die Entscheidu­ng gegen das Auto auch tatsächlic­h möglich ist. Beides ist weder einfach noch schnell umzusetzen.

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Wann lassen Menschen ihr Auto stehen, um mit dem Rad zu fahren? Das beschäftig­t Kommunen mit Änderungsw­illen.

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