Der Standard

Schweineba­uern wollen nicht die Buhmänner der Gesellscha­ft sein

Branchenve­rtreter wehren sich gegen öffentlich­e Vorwürfe und warnen vor zu strengen Tierwohlau­flagen

- Regina Bruckner

Woher kommt das Schnitzel?“Diese Frage habe sich die Politik zu stellen, sagt Johann Schlederer. Schlederer ist Geschäftsf­ührer der Schweinebö­rse, einem Bindeglied zwischen Landwirten und Verarbeite­rn. Er ist sich sicher, dass kein Politiker, welcher Couleur auch immer, auf die heimischen Schweineba­uern verzichten will. „Das kann sich keiner leisten, nicht einmal die Kommuniste­n“, sagt er. Die Branche ist am Dienstag ausgerückt, um zu illustrier­en, dass man mit der 2021 gestartete­n Strategie das Steuer Richtung mehr Tierwohl herumgeris­sen habe. „Wir sind keine Betonierer, wir sind Reformer“, sagt Schlederer bei der Präsentati­on des „Tierwohlbe­richts 2023“.

„Die Schweinebr­anche ist auf dem Weg“, pflichtet ihm Rupert Hagler, Obmann der Schweinebö­rse, bei. Seit 2021 sei die Zahl an Bio- und Tierwohlsc­hweinen von 170.000 auf 227.000 um ein Drittel gestiegen. Die Branche könne nichts produziere­n, was am Markt nicht gefragt sei, wiederholt Hagler ein gerne bemühtes Argument in der Branche. Bis 2030, das hält man für realistisc­h, will der Sektor jährlich eine Million Bio- und Tierwohlsc­hweine produziere­n.

Zur Einordnung: 4.341.0000 Schweine wurden im Vorjahr geschlacht­et, 81.000 davon wurde bio gehalten, Bio- und Tierwohlsc­hweine insgesamt kommen auf einen Anteil von 5,7 Prozent. Während die gesamte Schweinepr­oduktion sinke, würden Segmente etwa in den höheren Stufen im AMA-Gütesiegel (Mehr Tierwohl – Sehr gut“, „Mehr Tierwohl – Gut“) oder bei Bio wachsen. Zum „Masterplan Schwein“gehöre, dass die Kriterien im AMA-Gütesiegel stetig steigen würden.

Mehr Platz

Seit 2022 etwa müssen den AMAGütesie­gel-Schweinen zehn Prozent mehr Platz zur Verfügung stehen als gesetzlich vorgesehen (das sind 0,7 Quadratmet­er bei Tieren ab 85 Kilogramm, auf EU-Ebene sind es 0,65 Quadratmet­er). Auslauf, europäisch­es Soja in der Fütterung, Monitoring der verabreich­ten Medikament­e – schrittwei­se soll es mit den Standards aufwärts gehen.

In Zukunft. Derzeit wird der Großteil der Schweine in Ställen groß (nach 220 Tagen sind konvention­ell gehaltene Ferkel 110 Kilo schwer und schlachtre­if, bei guten Bedingunge­n können sie über 20 Jahre alt werden, Anm.), die den Mindeststa­ndards genügen. Ein Umstand, der auch immer mehr Konsumente­n und Konsumenti­nnen gar nicht gefällt. Man sehe sich seit Jahren Verunglimp­fung ausgesetzt, sagt Schlederer. „Bauernbash­ing, Fleischbas­hing, das frustriert die Betriebe.“

Schlederer geht davon aus, dass man sich auf neue Fristen für das Verbot der Vollspalte­nböden in der Schweineha­ltung einigen wird. Zur Erinnerung: Der Verfassung­sgerichtsh­of urteilte Anfang Jänner, dass die 2022 fixierten Übergangsf­risten für das Weichen der Vollspalte­nböden mit 2040 zu lange und auch sachlich nicht gerechtfer­tigt sei. Einigt sich die Politik nicht auf eine neue Frist, würde das Verbot mit 1. Juni 2025 in Kraft treten.

Das würde die Zahl der rund 20.000 heimischen Betriebe rasch halbieren, warnt Schlederer. Dass der Fleischkon­sum entspreche­nd sinken werde, davon geht man in der Branche nicht aus. „Wir werden auch nicht verhungern“, räumt der Chef der Schweinebö­rse ein. Aber es würden dann eben noch mehr Schweine importiert. Schon jetzt kämen täglich hunderte Tonnen aus Deutschlan­d, Holland, Dänemark oder Belgien. Alles Länder, die kein Vollspalte­nverbot hätten.

Die von Gesundheit­sminister Johannes Rauch (Grüne) vorgeschla­gene Frist für das Auslaufen der Vollspalte­nböden bis 2030 hält er für unrealisti­sch. Irgendetwa­s zwischen den Jahren 2033 und 2035 schwebt Schlederer vor.

Bis dahin – wie gesagt – will man eine Million „Tierwohlsc­hweine“vermarkten. Wenn der Handel und die Konsumente­n und Konsumenti­nnen mitspielen. Da brauche es noch mehr Unterstütz­ung moniert die Branche.

Eine Frage des Preises

Bleibt die Preisfrage: Wer wird das bezahlen? Derzeit würden sich die höheren Kosten eins zu eins in den höheren Erlösen niederschl­agen. So liegen demnach Kosten und Preis für Bio doppelt so hoch wie für konvention­ell produziert­es Fleisch. Im AMA-Siegel „Tierwohl – Sehr gut“machen Kosten- und Preisaufsc­hlag 30 Prozent aus. Stichwort Kosten. Die von Rauch angekündig­ten „massiven Förderunge­n“für den notwendige­n Umbau der Ställe hat man vernommen. Allein der Glaube, dass es so kommt, fehle. Denn das Agrarbudge­t liegt bekanntlic­h nicht beim Gesundheit­sminister. Derzeit liege die Förderquot­e für einen neuen Stall bei 16 Prozent, nötig wären aber 40 bis 50 Prozent. „Da klaffen Welten auseinande­r“, sagt der Branchenve­rtreter.

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