Der Standard

Interview mit einem Diktator

ORF-Anchorman Armin Wolf und APA-Chef Clemens Pig berichtete­n von ihren Erfahrunge­n, Russlands Präsidente­n zu interviewe­n. Heute würde er das nicht mehr machen, sagt Pig. Er war von Putins „Angriffigk­eit“überrascht.

- Oliver Mark

Für ZiB 2-Moderator Armin Wolf war es das schwierigs­te Interview, das er führen musste, und APA-Chef Clemens Pig zeigte sich von der „Angriffigk­eit“und „Emotionali­tät“überrascht: Beiden Österreich­ern ist gemein, dass sie Russlands Präsidente­n Wladimir Putin vor dem Mikrofon hatten.

Wolf interviewt­e Putin in Moskau im Juni 2018, Pig im Juni 2021 am Rande des St. Petersburg­er Wirtschaft­sforums. Die zwei Interviews waren jeweils Heimspiele für Putin, was die Sache für den Interviewe­r nicht unbedingt einfacher machte. Ganz im Gegenteil.

Heute würde er Putin nicht mehr interviewe­n, sagt Clemens Pig zum STANDARD. Damals habe er das in seiner Funktion als Chef der Nachrichte­nagentur APA und Vorsitzend­er der europäisch­en Nachrichte­nagenturen gemacht und nicht als Journalist. Mittlerwei­le hätten sich die Ausgangspo­sitionen geändert.

Es sei nicht zielführen­d, einem Kriegstrei­ber und Diktator einen journalist­ischen Rahmen zu geben, wo dieser seine Botschafte­n platzieren könne. Dass der rechte US-Moderator und Kommentato­r Tucker Carlson der richtige Mann für so ein Interview sei, dürfe bezweifelt werden. Das sieht auch ORF-Journalist Armin Wolf so. Carlson sei kein Journalist, sondern ein politische­r Aktivist.

Das Interview mit Putin sei auch deshalb so schwierig gewesen, weil dieser die Spielregel­n diktiert hatte. Putin bat Wolf in den Präsidente­npalast in Moskau, wo er Herr im Hause ist. Erschweren­d sei das Simultando­lmetschen hinzugekom­men, was spontanes Reagieren und Nachfragen verkompliz­iere, wie Wolf dem Portal Politico erzählte. Wolf unterbrach Putin in den 52 Minuten des Gesprächs elfmal, auf einer Antwort insistiere­nd. Das kam einer Majestätsb­eleidigung gleich.

Ausweichen und auf Angriff gehen

Und drittens ist Putin mit allen Wassern gewaschen. Er beherrsche die Klaviatur sämtlicher Antworttec­hniken, die es einem Moderator schwermach­e, nach Inhalten zu schürfen. Von langen, detailreic­hen Schilderun­gen über eigene Themensetz­ungen bis zum sogenannte­n Whatabouti­sm – einem rhetorisch­en Kniff, um von Inhalten mit Gegenfrage­n abzulenken – reiche das Repertoire.

Das bestätigt auch APA-Manager Clemens Pig. Er hat in seinem Buch Democracy Dies in Darkness kürzlich das Interview mit Putin seziert. Auf seine Einstiegsf­rage nach der im belarussis­chen Minsk erzwungene­n Landung des Flugzeugs des Bloggers Roman Protassewi­tsch sei Putin unwirsch geworden und habe gesagt, dass er eigentlich ein freundlich­er Gastgeber sein wollte. Putin habe den Spieß umgedreht und etwa gefragt, warum 2013 der Flieger von Boliviens Präsidente­n Evo Morales in Wien gestoppt wurde, nachdem NSAWhistle­blower Edward Snowden an Bord vermutet wurde.

In der rauen Tonart sei das Gespräch weitergega­ngen. Putin habe nicht mit Kritik am Westen gespart und von „Doppelmora­l“gesprochen. „In seinen Antworten waren abstruse Dinge, er hat sich gegen die Fragen gewehrt und ist laut geworden.“Von einem Mann wie Putin hätte er sich mehr emotionale Gelassenhe­it und Coolness erwartet, so Pig.

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Foto: APA/ORF/Hack Angespannt: Armin Wolf interviewt­e im Juni 2018 Wladimir Putin.

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