Der Standard

Der Freuden-Blues der Black Pride

In Blitz Bazawules Musicalada­ption von Alice Walkers preisgekrö­ntem Roman „Die Farbe Lila“ist nicht nur der Blues zu Hause, sondern auch die Spielfreud­e einer charismati­schen, stimmensta­rken Schwestern­schaft.

- Jetzt im Kino Valerie Dirk

Im Jahr 1986 kam es bei den Oscars zu einem Eklat. Steven Spielbergs Alice-Walker-Adaption Die Farbe Lila ging, trotz elf Nominierun­gen, leer aus. Der Gewinner des Abends war ironischer­weise die Kolonisato­renromanze Jenseits von Afrika mit Meryl Streep, Robert Redford und Klaus Maria Brandauer. Das war dann doch zu viel für Koproduzen­t und Filmmusikk­omponist Quincy Jones. Darauf angesproch­en, sagte er schlicht: „That’s the way it is“(So ist es nun einmal) – und nicht wenige meinten darin die historisch gewachsene Resignatio­n ablesen zu können, die Afroamerik­aner angesichts ihrer Repräsenta­tion in Hollywood empfinden.

Dass diese in Bezug auf schwarze Männer im feministis­chen Film Die Farbe Lila nicht besonders vorteilhaf­t ist, führte auch zu enormen Gegenreakt­ionen innerhalb der afroamerik­anischen Community, als der Film 1985 in die Kinos kam. Die Coalition Against Blaxploita­tion sah in den gewalttäti­gen Männerfigu­ren das Stereotyp des „bösen schwarzen Mannes“auf die Spitze getrieben. Viele Afroamerik­anerinnen identifizi­erten sich mit den facettenre­ichen Frauenfigu­ren: mit der unsicheren Celie (das herausrage­nde Filmdebüt von Whoopi Goldberg), der toughen Sofia und der begehrten Bluessänge­rin Shug Avery. Die drei bildeten in Spielbergs Die Farbe Lila eine Schwestern­schaft gegen männliche Gewalt.

Nun sind Celie, Sofia und Shug wieder auf der großen Leinwand vereint, und zwar in einem vom Broadway entlehnten Filmmusica­l, das auf die Unterstütz­ung alter Freunde zählen konnte: Steven Spielberg und Oprah Winfrey produziere­n, Whoopie Goldberg ist in einem winzigen Cameo-Auftritt zu sehen.

Comeback als Musical

Dass man hierfür heutzutage keinen weißen Regisseur beauftrage­n kann, ist klar. Die Regie fiel also dem ghanaische­n Musiker und Künstler Blitz Bazawule zu. Mit seinem Debüt, dem afrofuturi­stischen Fantasy-Drama The

Burial of Kojo, machte er filmisch auf sich aufmerksam, und schon bald klopfte Beyoncé beim Multimedia­künstler an und ließ sich von Bazawule ihren Musikfilm Black Is King inszeniere­n. Der Mann ist also die richtige Wahl für ein Musical – ein Genre, das derzeit mit Wonka, Mean Girls (und Barbie) erfreulich­erweise ein Comeback feiert. Er hat außerdem ein Händchen für am Afrofuturi­smus angelehnte Black-Pride-Momente als auch für mitreißend­e Musicalnum­mern – einzig die leiseren Töne fallen ihm schwer.

Beschwingt, nahezu ekstatisch taucht Die Farbe Lila so in seine Filmwelt, ins Georgia um 1900, ein und kümmert sich erst einmal gar nicht so sehr darum, dass das Mädchen Celie bereits zum zweiten Mal von ihrem eigenen Vater (der sich am Ende als Stiefvater herausstel­lt) schwanger ist. Die Kluft zwischen der gezwitsche­rten Schwestern­freude von Celie und Nettie und ihrer von Missbrauch gezeichnet­er Realität ist tief. Doch dann holt Bazawule sein wippendes Publikum wieder zurück auf den harten Boden des Dramas: Celie wird das Kind abgenommen, und der Vater verkauft sie für ein paar Eier an den bedrohlich­en Farmer „Mister“. Namentlich als Ehefrau, eigentlich aber als schlechter­e Küchenmagd.

Mister, gespielt vom für das Bürgerrech­tlerBiopic Rustin nominierte­n Colman Domingo, beginnt bald, Celie zu missbrauch­en und zu isolieren. Die Jahre ziehen ins Land, Celie wird nun kongenial vom Broadway-Star Fantasia Barrino verkörpert, das Elend bleibt dennoch. Bis Misters Sohn Harpo seine neue Braut mitbringt, die resche Sofia, die sich von niemandem etwas sagen – und schon gar nicht schlagen – lässt.

Als die Bluessänge­rin Shug Avery in die Stadt kommt, natürlich begleitet von einem jauchzende­n Freudenson­g, befreit sich Celie aus ihrer Rolle in Misters Haus und gewinnt nicht nur an Selbstbewu­sstsein, sondern verliebt sich auch in Shug – ein Gefühl, das in einem vom Revuefilm inspiriert­en Duett mit einem Kuss erwidert wird. Und nachdem viele, meist mitreißend­e Filmminute­n ins Land gegangen sind, wird Celies Emanzipati­on schließlic­h mit einer großen familiären Versöhnung­sgeste gekrönt, die dann doch ein wenig zu christlich bekehrt daherkommt.

Wo es 1986 noch elf Oscar-Nominierun­gen waren, gab es heuer nur eine. Für die Rolle der Sofia, die bei Spielberg die damals wenig bekannte Oprah Winfrey spielte, erhielt nun Danielle Brooks eine Nominierun­g als Nebendarst­ellerin. „That’s the way it is“, würde der neuerliche Koproduzen­t Quincy Jones wohl heute noch dazu sagen.

 ?? ?? Danielle Brooks hat als Sofia (Mi.) die einzige Oscar-Nominierun­g für „Die Farbe Lila“bekommen. Schade, denn das Musical versöhnt Alice Walkers Roman mit schwarzer Musikkultu­r.
Danielle Brooks hat als Sofia (Mi.) die einzige Oscar-Nominierun­g für „Die Farbe Lila“bekommen. Schade, denn das Musical versöhnt Alice Walkers Roman mit schwarzer Musikkultu­r.

Newspapers in German

Newspapers from Austria