Der Standard

Der Weg zur Summe der Stärken

Wie die Qualität der Vorstandsb­esetzung verbessert werden kann und wo die entscheide­nden Weichen im Aufsichtsg­remium zu stellen sind.

- GASTBEITRA­G: Gundi Wentner GUNDI WENTNER ist Partnerin bei Wentner Kapeller Havranek Board Consulting in Wien.

Vorstandsb­estellunge­n sind nicht delegierba­r. Kaum jemand würde bestreiten, dass sie die weitreiche­ndsten Konsequenz­en für Entwicklun­g, Erfolg oder Misserfolg eines Unternehme­ns haben. Man erinnert sich an medienwirk­same Geschichte­n des Scheiterns. Personen, die ein Unternehme­n vielleicht nicht in den Konkurs geführt, aber Reputation und Unternehme­nswert massiv geschädigt haben und nach kurzer Zeit mit enormen Kosten und Schäden ausgetausc­ht werden mussten. Oder falsch besetzte Führungskr­äfte, die nicht in der Lage sind, das Potenzial einer Organisati­on und ihres Teams für Erfolge zu nützen. So weit, so gut und trivial.

Vor 30 Jahren hat mir ein Aufsichtsr­atsvorsitz­ender auf meine Frage nach Anforderun­gen an das gesuchte Vorstandsm­itglied geantworte­t: „Warum fragen Sie so viel, ich such halt einen Vorstand.“So würde heute niemand mehr antworten. Pandemie, Kriege und Klimakrise haben deutlich gemacht, wie sehr Führungskr­äfte in einer global vernetzten Welt gefordert sind.

Umso mehr beschäftig­t Aufsichtso­rgane, wie man die Qualität der Vorstandsb­esetzung verbessern kann. Sieht man sich Besetzungs­prozesse aber genauer an, dürfte sich nicht viel verändert haben. Die durchschni­ttliche Verweildau­er in Vorstandsp­ositionen liegt bei weniger als drei Jahren, Vorstandst­eams scheinen immer noch primär nach Selbstähnl­ichkeit mit den Entscheidu­ngstragend­en besetzt zu sein, Aufsichtsr­äte beklagen, dass es immer weniger qualifizie­rte und interessie­rte Kandidatin­nen und Kandidaten gibt. Es geht aber besser.

Weg von der Superstar-Theorie

Der Vorstand ist ein Kollegialo­rgan. Sein Erfolg hängt nicht von den Kompetenze­n einzelner Personen und schon gar nicht von denen einer einzigen Person ab. Es geht vielmehr um die Summe der Stärken. Darum, wie das Team kooperiert und sich wechselsei­tig ergänzt.

Ein nicht kooperatio­nsfähiges Vorstandst­eam ist dysfunktio­nal und eine Bedrohung für die Unternehme­nsentwickl­ung, wenngleich nicht selten zu beobachten. Dass divers aufgestell­te Führungste­ams bessere Ergebnisse erzielen, ist empirisch belegt, spiegelt sich in der Zusammense­tzung vieler österreich­ischer Vorstände aber nicht wider. Diversität bezieht sich dabei nicht nur auf Geschlecht, sondern auf unterschie­dliche Kompetenze­n, die auf persönlich­em und berufliche­m Hintergrun­d, Internatio­nalität, Alter und Erfahrung

und eben auch Geschlecht beruhen können. Ein effiziente­s Team kann gerade in dieser Unterschie­dlichkeit kooperiere­n, kennt Stärken und Unterschie­de seiner Player und stellt eben deswegen die Sache in den Vordergrun­d. Richtet der Aufsichtsr­at den Blick auf den Vorstand als Team und berücksich­tigt auch die Kompetenze­n und Stärken der nächsten Führungseb­ene, läuft er weniger Gefahr, die sprichwört­liche „eierlegend­e Wollmilchs­au“zu suchen. Das erweitert auch den Suchradius und erhöht die Chancen interner Kandidatin­nen und Kandidaten.

Die Weichen für nachhaltig gute Besetzungs­entscheidu­ngen stellt man auf den ersten fünf Prozent der Arbeitsstr­ecke. Grundlage für jedes Profil ist ein gemeinscha­ftliches Bild davon, was im Unternehme­n wichtig und zu tun ist.

Dieses Bild sollte sich aus den Einschätzu­ngen von Aufsichtsr­at, Vorsitz, Personal- oder Nominierun­gsausschus­s, Belegschaf­tsvertretu­ng und bestehende­r Geschäftsf­ührung über Herausford­erungen, Strategieü­berlegunge­n und Kompetenze­n des Führungste­ams zusammense­tzen und muss strukturie­rt abgeholt werden.

Diskutiere­n, dokumentie­ren

Vor der Entscheidu­ng, wen mit welchen Kompetenze­n man wo sucht, bedarf es einer schriftlic­h dokumentie­rten Diskussion, weil Inhalte, die verkürzt veröffentl­icht und kommunizie­rt werden, eine Einordnung in den Kontext brauchen. Dazu zählt auch, was die Position für Zielperson­en attraktiv macht, was verlangt und woran man gemessen wird. Ein umfassende­s Briefing für alle, die bis zur Letztentsc­heidung eingebunde­n werden, ist erfolgskri­tisch.

In meiner 30-jährigen Erfahrung als Beraterin habe ich erlebt, dass der Vorbereitu­ng, Teamkonste­llation und genauen Analyse der Position wenig bis viel zu wenig Aufmerksam­keit geschenkt wird, Nominierun­gsausschüs­se erst im Anlassfall konstituie­rt werden oder der Prozess erst mit der Auswahl der Personalbe­rater oder Headhunter beginnt.

Aber wer ist überhaupt der jeweils richtige Headhunter? Die Auswahl determinie­rt bereits, wo und wie gesucht wird. Habe ich darüber kein klares Bild, gehe ich von Beginn in die falsche Richtung und gebe zudem als Aufsichtsr­at die Steuerung aus der Hand. Das sollte vermieden werden.

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