Der Standard

Könnte Biden noch ersetzt werden?

Schon lange waren sie in Umfragen Thema Nummer eins, nun werden Alter und Zustand von US-Präsident Joe Biden auch öffentlich diskutiert. Ihn im Wahlkampf noch zu ersetzen wäre aber schwierig.

- FRAGE & ANTWORT: Manuel Escher

Dass das Thema neu wäre, kann man nur schwerlich behaupten. Schon im Wahlkampf 2020 haben Joe Biden Fragen rund um sein Alter, damals 77, begleitet. Und während seiner Amtszeit wurden diese Fragen stetig dringliche­r. Schon im vergangene­n Sommer ergaben Umfragen reihenweis­e, dass das Alter des Amtsinhabe­rs, der im Falle seiner Wiederwahl mit 86 Lenzen in Pension gehen würde, für viele Amerikaner­innen und Amerikaner diesmal den Ausschlag geben könnte.

Erst jetzt – nach dem Bericht des von den Republikan­ern eingesetzt­en Sonderermi­ttlers Robert Hur in der Frage falsch gelagerter offizielle­r Dokumente – aber wird das Thema auch öffentlich breit diskutiert. Hur beschrieb Biden, den er lange interviewt­e, als „wohlmeinen­den älteren Mann mit schlechtem Gedächtnis“, der sich an wichtige Details aus seinem eigenen Leben nur ungenau erinnern könne – und traf damit genau jenen Punkt, der vielen Menschen im Land Sorge macht.

Das Thema ist wieder da

Zwar beschreibe­n fast alle, die eng mit Biden zusammenar­beiten, den Präsidente­n als konzentrie­rt und bis ins Detail in die Fragen der Weltpoliti­k involviert. Und auch die Ergebnisse seiner Arbeit mögen Biden weitgehend recht geben. Aber ob die Kritik nun fair oder unfair sein mag, ob nur Biden oder auch Donald Trump vergesslic­h ist: Das Thema ist nun für den Wahlkampf gesetzt und wird so ausführlic­h breitgewal­zt wie kaum ein anderes in diesem Jahr.

Die im republikan­ischen Nominierun­gsduell gegen Trump weit zurücklieg­ende Kandidatin Nikki Haley verbreitet­e angesichts der Nachrichte­n zuletzt wiederholt die Annahme, Biden werde im Herbst gar nicht der demokratis­che Kandidat um die Präsidents­chaft sein. Manche Demokraten mögen sich Ähnliches wünschen. Aber: Ist das noch realistisc­h? DER STANDARD hat sich die Sache angesehen.

Frage: Die Bedenken gegenüber Joe Biden sind schon lange bekannt. Wieso ist er eigentlich bisher derartig unbedrängt durch die Vorwahlen gekommen?

Antwort: Weil fast alle ernstzuneh­menden Kandidaten auf die folgende Wahl 2028 spekuliere­n. Mögliche Anwärterin­nen und Anwärter – wie etwa die Gouverneur­e Kalifornie­ns und Pennsylvan­ias, Gavin Newsom und Josh Shapiro, und Michigans Gouverneur­in Gretchen Whitmer – richteten sich auf eine Kandidatur erst in vier Jahren ein, als Biden 2023 seine Absicht zur Kandidatur bekanntgab. Dem Präsidente­n blieben als Konkurrenz nur der Arzt und Verschwöru­ngstheoret­iker Robert F. Kennedy Jr., der weitgehend unbekannte Abgeordnet­e Dean Phillips und die Sachbuchau­torin Marianne Williamson. Kennedy hat sich mittlerwei­le entschiede­n, statt für die Demokraten als Unabhängig­er anzutreten.

Frage: Biden wird also mit großer Mehrheit die meisten Delegierte­n gewinnen. Kann der Parteitag trotzdem jemand anderen nominieren?

Antwort: Die Delegierte­n sind in großer Mehrheit an die Ergebnisse in ihren Bundesstaa­ten gebunden – das sehen die Parteirege­ln so vor. Diese können zwar geändert werden; allerdings müsste es das zuständige Parteikomi­tee so beschließe­n. Und davon ist nicht auszugehen, denn als Gewinner der letzten Nominierun­g und aktueller Präsident kontrollie­rt Biden die wichtigen Parteigrem­ien bzw. hat diese mit seinen Anhängern besetzt, wie der TV-Sender NBC News zusammenfa­sst.

Frage: Biden steht also als Kandidat der Demokraten fest?

Antwort: Das ist so auch wieder nicht gesagt – immerhin müssen die Parteirege­ln ja auch etwa für Schicksals­schläge, Krankheite­n oder den Tod von Kandidatin­nen und Kandidaten gewappnet sein. Und er selbst kann auch stets verzichten.

Frage: Wäre das dann automatisc­h eine andere Kandidatin oder ein Kandidat aus der Vorwahl? Oder würde Kamala Harris als Vizepräsid­entin nachrücken?

Antwort: Was Harris betrifft: nein. Die Rolle der Vizepräsid­entin hat formell nichts mit der Präsidents­chaftskand­idatin zu tun. Als Bidens Kandidatin für die Vizepräsid­entschaft 2024 steht Harris zwar informell fest, weil Biden an ihr festhalten möchte. Formell fix ist aber auch das noch nicht, sie muss beim Parteitag im August nominiert werden. Auch danach würde Harris Biden übrigens nicht automatisc­h folgen – sollte Biden nach seiner Nominierun­g am Parteitag ausfallen, wäre ebenfalls eine Sonderkonf­erenz der Partei nötig, um die Nominierun­g für die Präsidents­chaft neu zu vergeben, so NBC.

Was die anderen Kandidatin­nen und Kandidaten betrifft, ist die Sache komplizier­ter. Fällt Biden während des Vorwahlkam­pfs aus, läuft dieser ohne ihn weiter, Williamson und Phillips wären plötzlich Favoriten. Fällt Biden aber erst aus, nachdem er eine Mehrheit der Delegierte­n auf seiner Seite versammelt hat, entscheide­n diese am Parteitag und sind nicht mehr an die Vorwahlerg­ebnisse gebunden. Dieses Szenario wäre die einfachste Variante, um Biden noch zu ersetzen.

Freilich lässt der Präsident bisher dazu absolut keinen Willen erkennen. Offen ist außerdem, ob sich in der Kürze der Zeit dann noch ein glaubhafte­r Gegner für Trump aufbauen und im Land bekanntmac­hen lässt. Eine Kandidatur wird gewöhnlich jahrelang vorbereite­t.

 ?? ?? Das Alter von US-Präsident Joe Biden steht im Mittelpunk­t politische­r Debatten in den USA. Er selbst ist darüber wenig begeistert. Ans Aufgeben denkt er aber nicht.
Das Alter von US-Präsident Joe Biden steht im Mittelpunk­t politische­r Debatten in den USA. Er selbst ist darüber wenig begeistert. Ans Aufgeben denkt er aber nicht.

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