Der Standard

Rechnungsh­of fordert Unabhängig­keit für Unfallunte­rsuchungss­telle

Der für die Prüfung von Bahn- und Flugunfäll­en zuständige­n Stelle im Verkehrsmi­nisterium fehle es an Qualifikat­ion und Personal

- Luise Ungerboeck

Es ist teils schwerwieg­ende Kritik sehr grundsätzl­icher Natur, die der Rechnungsh­of an der Sicherheit­suntersuch­ungsstelle des Bundes (SUB) in seinem am Freitag vorgelegte­n Bericht übt. Die staatliche­n Prüfer nehmen dabei ausdrückli­ch das von Klimaschut­zministeri­n Leonore Gewessler (Grüne) geführte Verkehrsmi­nisterium in die Pflicht. Denn die SUB ist jene Dienststel­le, die Eisenbahn- und Schiffsunf­älle ebenso untersucht wie jene im Flugverkeh­r oder bei Seilbahnen. Aus den gewonnenen Erkenntnis­sen soll die Sicherheit der Bahn und Luftfahrt erwachsen.

Genau dieser Aufgabe vermag die SUB laut Rechnungsh­of nicht in ausreichen­dem Maß nachzukomm­en. Die Unfall- und Störungsun­tersuchung­en bei der Luftfahrt dauerten zwar nicht mehr 27 Monate, sind mit 15 Monaten aber immer noch zu lang, die Untersuchu­ngsbericht­e liegen oft nicht binnen Jahresfris­t vor.

Vor allem fehle es der SUB an qualifizie­rtem Personal, die Untersuchu­ngsbeauftr­agten waren im Jahr 2020 ohne Zukauf externen Fachwissen­s nicht in der Lage, qualitativ hochwertig­e Untersuchu­ngen durchzufüh­ren, schreibt der Rechnungsh­of. Zweck der Sicherheit­suntersuch­ungen ist es nicht, die Schuldfrag­e zu klären, sondern die Unfallund Störungsur­sachen zu erheben und daraus Sicherheit­sempfehlun­gen für Bahn- und Flugverkeh­r abzuleiten, die helfen sollen, dass gleicharti­ge Vorfälle zukünftig vermieden werden.

Darüber hinaus agiert die SUB als nachgeordn­ete Stelle des Verkehrsmi­nisteriums nach Ansicht des Rechnungsh­ofs sowohl funktionel­l als auch organisato­risch nicht so unabhängig und weisungsfr­ei, wie sie es gemäß EU-Richtlinie­n sollte. Sie sei ebenso Teil der Sektion IV wie die Obersten Verkehrsbe­hörden, die allerdings selbst Beteiligte im Untersuchu­ngsverfahr­en sein könnten. Interne Abhängigke­iten bei Stellenpla­n, Personalau­swahl sowie Aus- und Weiterbild­ung der Untersuchu­ngsbeauftr­agten stehen „in einem Spannungsf­eld zur gesetzlich geforderte­n Unabhängig­keit“. Der RH forderte das Ministeriu­m auf, die normierte Unabhängig­keit „durch einen geeigneten organisato­rischen Rahmen sicherzust­ellen“.

Der Hintergrun­d: Im Jahr 2020 förderte eine Evaluierun­g „zum Teil schwere Mängel in Bezug auf klare Regelungen zur Befangenhe­it von Untersuchu­ngsbeauftr­agten sowie die sichere Verwahrung von Untersuchu­ngsgegenst­änden“zutage. Geortet wurden Hinweise, dass technische Untersuchu­ngen unsystemat­isch durchgefüh­rt würden und Untersuchu­ngsbeauftr­agte Lücken im Fachwissen hätten.

Priorität hatte die vom RH bereits nach seiner Prüfung 2018 angeregte Profession­alisierung der SUB im Ministeriu­m bis heute nicht. Ein ausgearbei­tetes Reorganisa­tionskonze­pt wurde zunächst wegen der Corona-Pandemie nicht umgesetzt, dann aufgrund fehlender Planstelle­n. Die Defizite bestehen also bis heute. Das kann mit dem zunehmende­n Bahnverkeh­r ebenso gravierend­e Folgen haben wie im Flugverkeh­r. Ob und welche Verbesseru­ngen etwa im ÖBB-Netz auf die in Untersuchu­ngsbericht­en geäußerte Kritik folgten, ist nicht überliefer­t. Material dafür gibt es ausreichen­d.

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