Fragilität des Seins
Ich möchte, dass mein Leben in meinem Werk steckt, komprimiert in meiner Malerei wie ein Auto in einer Schrottpresse. Sonst wäre meine Arbeit nur irgendwelches Zeugs.“Seit einigen Jahren verwirklicht er sich mitten in New York seinen persönlichen Traum von einem venezianischen Palast; dem Prinzip der Avantgarde folgend, dass Leben und Kunst eine untrennbare Einheit darstellen. Sein Name geriet zum Synonym für die Rückkehr der schon totgesagten Gattung der Malerei in der zeitgenössischen Kunst. Seine Skulpturen erweitern die malerischen Formen der Bilder als grob gehauene, scheinbar abgenutzte Artefakte im Raum. Als Regisseur preisgekrönter Filme porträtierte er Künstler wie Basquiat, van Gogh oder andere subtile Figuren. Julian Schnabel, geboren 1959, fusioniert Materialien des Alltags mit klassischen Malutensilien, vermengt grenzenlos und ohne Scheu Mythen, Riten und Versatzstücke aus der Natur zu Schaustücken. Louise Kugelberg und Hans Werner Holzwarth unternahmen, sekundiert von Wegbegleitern und Zeitgenossen, die Anstrengung, Schnabels umfangreiches wie unterschiedliches Schaffen in einem opulenten Prachtband einzufangen. Laurie Anderson zeichnet ein vertrauliches Porträt des Künstlers, Éric de Chassey widmet sich Gemälden, Bonnie Clearwater Skulpturen, Max Hollein der ortsspezifischen Arbeit. Donatien Grau schreibt über den Palazzo Chupi, das vom Künstler im New Yorker West Village designte Refugium, Schriftsteller Daniel Kehlmann beleuchtet das filmische Werk. Das Ergebnis gleicht einer bibliophilen Wunderkammer des Geistes, geprägt von Wissen um die Fragilität des Seins, von Vergänglichkeit, Endlich- und Unendlichkeit.
Louise Kugelberg, Hans Werner Holzwarth (Hg.), „Julian Schnabel“. € 75,– / 572 Seiten. Taschen-V., Köln / Los Angeles 2023