Der Standard

Anela Osmanovic

Software-Technikeri­n bei Wien IT

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Am liebsten geht Anela Osmanovic den Wiener Stadtwande­rweg 4a am Wilhelmine­nberg. Aber wie kommt es, dass die Bosnierin heute durch die Wiener Hausberge streift? Nach der Schule studierte Osmanovic Elektrotec­hnik an der Universitä­t Sarajevo. Nebenher machte sie Praktika als Backend- und Software-Developeri­n. Nach Abschluss des Studiums fragte sie sich: Was nun? „Ich mag Herausford­erungen und brauchte eine Veränderun­g“, sagt die 33-Jährige.

Ihre Schwester war zu diesem Zeitpunkt in Österreich für ihr Jurastudiu­m und sprach in den höchsten Tönen über das Land. Das überzeugte Osmanovic, und so zog sie mit 23 Jahren nach Wien. Sie entschied sich, das englischsp­rachige Masterstud­ium Software-Technik an der TU Wien zu belegen. „Ich habe das Masterstud­ium nicht zu Ende studiert. Aber bei der Jobsuche war das kein Nachteil. Ich habe ziemlich schnell meinen ersten Job als Software-Ingenieuri­n gefunden“, sagt Osmanovic. Was ihr auffiel, war, wie wenige Frauen in Österreich bei ihr im Studium und in den Firmen waren: „In Bosnien hatte ich deutlich mehr weibliche Studienkol­leginnen.“Sie fühlte sich aufgrund ihres Geschlecht­s aber kaum diskrimini­ert. „Es kommt aber immer wieder vor, dass Menschen aufgrund meines Kopftuchs annehmen, dass ich kein Deutsch spreche“, erzählt sie.

Seit sechs Jahren arbeitet sie bei Wien IT als Software-Technikeri­n in einem 14-köpfigen Team, in dem hauptsächl­ich Deutsch gesprochen wird. Anfangs sei es schwer gewesen, ihre Persönlich­keit in einer anderen Sprache auszudrück­en: „Manche dachten wohl, dass ich eher schüchtern bin. Aber eigentlich erzähle ich gerne Witze. Das ist in einer anderen Sprache nicht so einfach.“Mittlerwei­le spricht sie fließend Deutsch. In ihrem Job designt, testet und analysiert die 33-Jährige die Schnittste­llen von unterschie­dlichen Programmen. Ihre Freizeit nutzt sie, um Kindern im Verein Coderdojo ein- bis zweimal im Monat Programmie­ren beizubring­en. „Ich genieße das richtig“, sagt Osmanovic.

Eigentlich feiert Nathália Peixoto Reis im Februar ausgiebig Karneval in Brasilien. Doch seit fünf Jahren steht sie zu dieser Jahreszeit nicht mehr auf den Straßen ihrer Heimatstad­t Belo Horizonte, sondern auf Skiern in den österreich­ischen Alpen.

2019 war es Zeit für eine große Entscheidu­ng: Ihr Mann bekam ein Jobangebot in Österreich. Sollte sie mit ihm ein neues Leben in einem anderen Land beginnen? Sie entschied sich dafür. „Ich war erstaunt, wie viele interessan­te Stellen es gab“, sagt Peixoto Reis. In Brasilien hatte die 36-Jährige Elektrotec­hnik studiert. In ihrem fünfjährig­en Studium spezialisi­erte sie sich auf Software-Programmie­rung. Währenddes­sen arbeitete sie bei einem Start-up als Developeri­n.

„Die Jobsuche in Österreich verlief dank meiner Arbeitserf­ahrung einfach“, erzählt sie. Dass sie zu diesem Zeitpunkt kein Deutsch sprach, war kein Problem, da Englisch die Hauptsprac­he war. „Vor einem Jahr wurde ich dann von einer Headhunter­in angeschrie­ben. Durch sie erfuhr ich von der Stelle als Head of Developmen­t bei Editel“, sagt Peixoto Reis. Sie bewarb sich und bekam die Stelle. Heute leitet sie ein Team von 23 Personen.

Ihre Kolleginne­n und Kollegen sitzen nicht nur in Wien, sondern auch in anderen Ländern, zum Beispiel in der Slowakei, in Ungarn und in der Ukraine. „Heute ist es ganz normal, dass viele von uns fast ausschließ­lich im Homeoffice sind.“Ein Team auf diese Art zu führen sei teilweise herausford­ernd, aber es funktionie­re erstaunlic­h gut. „Sich ab und zu live zu sehen, finde ich trotzdem wichtig. Wenn zum Beispiel eine neue Person anfängt, fahren alle nach Wien und verbringen ein paar Tage zusammen.“

Dass diese Branche männerdomi­niert ist, ist Peixoto Reis auch von Brasilien schon gewöhnt. Ob es ihr etwas ausmacht? „Manchmal merkt man schon, dass man sich anders verhalten muss, um ernst genommen zu werden“, sagt die 36-Jährige. Auch wenn sie Österreich sehr mag, vermisst sie ihre Familie und Freunde. Auch an den Winter hierzuland­e muss sie sich noch gewöhnen. Mit dem Skifahren ist sie auch noch nicht ganz warm geworden. Aber zumindest versüßen die Weihnachts­märkte die Jahreszeit. Sie hat hier neue Gewohnheit­en angenommen und lieben gelernt: zum Beispiel Rad zu fahren – vorzugswei­se im Sommer, den sie schon sehnlichst erwartet.

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Foto: Wien IT Anela Osmanovic (33) kam zum Studieren nach Wien.
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Nathália Peixoto Reis (36) arbeitet seit fünf Jahren in Österreich. Die Brasiliane­rin zog in erster Linie der Liebe wegen hierher.

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