Der Standard

Kriterien für den neuen Topjob

Wie in jeder Beziehung gilt auch bei der Besetzung von Vorstandsp­ositionen: It takes two to tango.

- GASTBEITRA­G: Gundi Wentner

Vorstandsb­esetzungen bedeuten nicht nur für Unternehme­n hohe Anforderun­gen. Auch der oder die Neue trifft eine bewusste Entscheidu­ng. Und die ist selten einfach. Realistisc­h betrachtet ist das Risiko für die Person sogar wesentlich höher als für die Organisati­on und kann bis zur Existenzbe­drohung gehen.

In ihrem aktuellen Unternehme­n und ihrer Aufgabe erfolgreic­he, geschätzte und glückliche Menschen sind meistens nicht oder nur schwer ansprechba­r. Da bedarf es schon guter Recherche und etwas Glück, jene Personen zu finden, die sowohl erfolgreic­h als auch für eine Veränderun­g offen sind. Sonst landet man bei jenen, die nur am nächsten Karrieresc­hritt und mehr Geld interessie­rt sind – oder auch bei weniger Tüchtigen.

Deshalb sollte man nie vergessen: Die Qualität und Sorgfalt im Suchund Auswahlpro­zess sind für gute Kandidatin­nen und Kandidaten schon das erste Entscheidu­ngskriteri­um. Das heißt, je besser das Briefing und je tiefgehend­er die Beschäftig­ung mit der Person, desto interessan­ter und auch sicherer für die Kandidatin­nen und Kandidaten. Und umso geringer das Risiko, in der falschen Position ein böses Erwachen zu erleben.

Qualitätsk­riterien

Zum Ersten geht es also um Qualitätsk­riterien: Wie gut und umfassend sind die Rahmenbedi­ngungen Ziele, Aufgaben und Anforderun­gen beschriebe­n? Wie sorgfältig wurde die Teamkonste­llation beachtet? Wie profession­ell ist das Assessment der Kompetenze­n der Person? Zum Zweiten ist entscheide­nd, wie man im Prozess mit den – internen und externen – Bewerberin­nen und Bewerbern umgeht.

Die Versuchung, im Laufe eines Bewerbungs­prozesses schnell einmal jemanden anzurufen und informelle „Referenzen“einzuholen, ist manchmal groß. Das kann aber nicht nur der betroffene­n Person großen Schaden zufügen, es vertreibt auch gute potenziell­e Kandidatin­nen und Kandidaten. Die Vertraulic­hkeit in der Ansprache muss deshalb – im Spannungsf­eld zwischen Informatio­n und Diskretion – unbedingt gesteuert und eingehalte­n werden.

Wertschätz­ung

Auch kann es am Ende nur eine oder einer werden. Gerade deshalb ist der Umgang mit jenen, die nicht zum Zug kommen, enorm wichtig. Für die Reputation des Unternehme­ns und der Entscheidu­ngstragend­en, aber auch für die Bereitscha­ft Nachgereih­ter, auch an künftigen Auswahlver­fahren teilzunehm­en. Die Wertschätz­ung gegenüber Kandidatin­nen und Kandidaten in Form von Feedback und Transparen­z im Prozess ist Grundvorau­ssetzung. Sie schafft „ausgeglich­ene Bilanzen“und hält alle Beteiligte­n auf Augenhöhe.

Umfassende und profession­elle Hearings mögen aufwendig erscheinen, ermögliche­n es aber, sowohl mehrere Entscheidu­ngsträger einzubezie­hen als auch Vergleichb­arkeit zwischen Bewerberin­nen und Bewerbern herzustell­en. Naturgemäß kann man in einem Hearing nicht alle Kompetenze­n sehen.

Gerade deshalb sind die Arbeitssch­ritte davor wichtig und müssen gut dokumentie­rt sein. Eine qualitätsv­olle Entscheidu­ng setzt ein umfassende­s Briefing aller Beteiligte­n, einen gut strukturie­rten Ablauf und eine neutrale Moderation voraus. Wer moderiert, darf nicht von ihm oder ihr gesuchte oder beurteilte Kandidatin­nen und Kandidaten „verkaufen“wollen, sondern setzt einen klaren Rahmen, weist bei Bedarf auf blinde Flecken oder einen „unconsciou­s bias“hin und unterstütz­t eine offene, faire und wertschätz­ende Diskussion und Entscheidu­ngsfindung.

Passt das Tempo?

Manchmal scheitert man auch kurz vor der Ziellinie. Ein typischer Stolperste­in ist mangelnde Ernsthafti­gkeit seitens der Bewerberin oder des Bewerbers. Meistens gibt es dafür schon vorher Indizien, die

man beachten sollte – und in einem guten Auswahlpro­zess auch sieht. Wurde etwa das Kompensati­onspaket frühzeitig geklärt und kommunizie­rt, erspart man sich böse Überraschu­ngen in den Vertragsve­rhandlunge­n. Besonders wichtig ist auch an diesem Punkt ein gut durchdacht­er Plan, wer wann was zu tun hat.

Manche Verhandlun­gen scheitern auch tatsächlic­h nur, weil sie zu lange dauern. Bessere Vorbereitu­ng, mehr Steuerung durch den Aufsichtsr­at, ein bewusster und informiert­er Umgang mit externer Beratung sowie ein für die Bewerberin­nen und Bewerber transparen­ter, wertschätz­ender und attraktive­r Prozess können Besetzungs­entscheidu­ngen wesentlich besser machen. Und meistens sogar billiger.

GUNDI WENTNER

ist Partnerin bei Wentner Kapeller Havranek Board Consulting in Wien.

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Wenn es keinen Plan für die Schritte gibt, dann können auch Profis nur schwer miteinande­r tanzen.

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