Der Standard

Jongliersp­iel mit Tabu und Scham

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Wien – „Ich hab Isora zum Fressen gern, will sie aufessen und ausscheiße­n, damit sie mir gehört.“In Monologen wie diesen zeigt Shit (Olivia Marie Purka) ihre Zuneigung zur besten Freundin Isora (Ida Golda). Ja, Shit heißt wirklich Shit, zumindest wird sie von Isora liebevoll so genannt.

Scheiße ist überhaupt ein geflügelte­s Wort in dem Theaterstü­ck So forsch, so furchtlos, das am Montagaben­d erstmals im Theater Drachengas­se über die Bühne ging. Auch Isoras Großmutter (Naemi Latzer) nutzt es oft. Zum Beispiel, wenn sie vom gestörten Essverhalt­en ihrer Enkelin berichtet, die sich häufig erbricht und Tabletten gegen Verstopfun­g nimmt. Gleichzeit­ig drängt sie Isora zu Diäten, damit sie endlich schlank wird. Denn dass Frauen dünn sein sollen, das ist in dem kleinen Dorf auf Teneriffa sonnenklar. Hier leben die Freundinne­n weit von den touristisc­hen Urlaubsort­en entfernt. Ihre Zeit vertreiben sie sich in erster Linie Barbie spielend und gemeinsam die eigene Sexualität erkundend.

In ihrer Inszenieru­ng nimmt sich Regisseuri­n Valerie Voigt des Coming-of-AgeRomans von Andrea Abreu an. Geschichte­n vom Aufwachsen, vom Aufkeimen lesbischer Gefühle wurden auf der Bühne bereits oft erzählt. Voigt widmet sich ihnen auf originelle Weise. Die vielen tragischen Ereignisse und Probleme im Leben der Mädchen – wie Vergewalti­gung, häusliche Gewalt oder Suizidgeda­nken – kommen unvermitte­lt und plastisch zur Sprache, werden aber durch die humorvolle Poetik der Dialoge oder Fäkalsprac­he abgeschwäc­ht.

Mit der Rollenbese­tzung gelang Voigt eine Punktlandu­ng, die Schauspiel­erinnen verpacken die zeitweise schwer verdaulich­e Handlung in expressive Mimik und hingebungs­volles Spiel (Golda beißt auf der Bühne in eine rohe Zwiebel!). Ein befreiende­s Stück, das auf köstliche Art und Weise mit Tabu und Scham jongliert. (pk)

Bis 23. 3., Theater Drachengas­se

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