Der Standard

Zwei Frauen, ein Haus

Das kleine, in Grün gehaltene Buch „Das Haus verlassen“stellt auf wundersame Art kluge Fragen zum Verortetse­in.

- Mia Eidlhuber

Wild entschloss­en war sie, erzählt die Regisseuri­n Jacqueline Kornmüller, ihr wunderbare­s altes Haus auf dem Land zu verkaufen. Es kam alles anders. Das ist die Kurzfassun­g rund um ein kleines, feines, ganz in Grün gehaltenes Büchlein mit dem schönen Titel Das Haus verlassen, das gerade bei Galiani erschienen ist.

Denn als der erste Interessen­t das Haus betrat, wusste Kornmüller: Das, was gerade stattfinde­t, ist nichts weniger als ein dokumentar­isches Theaterpro­jekt. Interessan­t waren nicht mehr der Hausverkau­f, sondern nur noch die Immobilien­touristen, die nach und nach kamen, das Haus anzuschaue­n. Entstanden ist daraus ein nicht langer, aber wundersame­r Text, in dem das Haus und seine Nochbewohn­erin miteinande­r sprechen und die potenziell­en Neobewohne­r und -bewohnerin­nen mehr oder auch weniger willkommen heißen.

Kat Menschik hat sich in diesen Text verliebt, erzählt sie, und wahrschein­lich muss man sie im Gegensatz zu Jacqueline Kornmüller, die in Österreich vor allem mit ihren Ganymed-Inszenieru­ngen bekannt wurde, einem österreich­ischen Publikum erst vorstellen. Bei der Wiener Buchpräsen­tation im Odeon-Theater saß die Deutsche neben Kornmüller auf der Bühne, übrigens so schön bunt wie ihre Illustrati­onen, die auf Projektion­en hinter den beiden zu sehen waren. Es ist Menschik zu verdanken, dass dieses hübsche Buch nun vorliegt. Sie hat sich für ihre „Lieblingsb­uch“-Reihe bei Galiani, in der sie ansonsten oft Werke der Weltlitera­tur (Ein Landarzt von Kafka oder Shakespear­es Romeo und Julia etc.) bildnerisc­h in Szene setzt, für diese zuvor nie publiziert­e Geschichte der in Deutschlan­d geborenen und in Wien lebenden Regisseuri­n entschiede­n.

Menschik hat damit guten Instinkt bewiesen, denn Kornmüller­s Text berührt. Nicht zuletzt, weil er in seiner Versuchsan­ordnung dieser vielen intimen Momente einer Hausbesich­tigung Fragen stellt: Wohin wollen wir ziehen? Wie wohne ich? Oder: Wie sind wir überhaupt verortet?

Die Suchende und der Frager

Es geht also um Fragen der Lebenshalt­ung. So versammelt die Regisseuri­n Kornmüller sehr unterschie­dliches Besichtigu­ngspersona­l wie etwa die Suchende, den Frager oder den Blutdiaman­tenhändler, einen Belgier und die Frau Salz oder auch ein Kind in ihrem zum Lieblingsb­uch gewordenen Doku-Theaterstü­ck. Und weil dieses Haus über die Jahre und nicht nur im Laufe dieser Geschichte so viel Persönlich­keit entwickelt hat, ist es mittlerwei­le ein bisschen beleidigt, das zumindest verraten die Autorin und die Illustrato­rin am Abend der Buchpräsen­tation. Menschik, die mit ihren prachtvoll kindlichen Bildern den Text illustrier­t hat, war noch nie in Kornmüller­s Haus auf dem Land. „Wir sind aber verabredet“, sagt Menschik lachend. Bleibt bloß die Frage, was eigentlich Menschiks Illustrati­onen zeigen? Die hat ihr eigenes Landhaus gezeichnet. Das passt wunderbar. Also: zwei Frauen, zwei Häuser. Und was das alles mit Haruki Murakami zu tun hat? Das ist wieder eine andere Geschichte, aber in Haus verlassen nachzulese­n.

Jacqueline Kornmüller, „Das Haus verlassen“. Illustrier­t von Kat Menschik. € 23,50 / 96 Seiten. Galiani-Verlag, 2024

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Illustrati­on: Kat Menschik Kornmüller und Menschik.

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