Der Standard

Taxonomie kommt langsam an

Die ESG-Kriterien und die EU-Taxonomie-Verordnung werden für die Immobilien­wirtschaft immer wichtiger. Verantwort­liche wurden in vielen Unternehme­n bereits installier­t, doch viele andere Fragen sind noch offen.

- Martin Putschögl, Bernadette Redl

Wo Nachhaltig­keit draufsteht, muss auch Nachhaltig­keit drin sein – das schreibt die EU mit der TaxonomieV­erordnung großen Unternehme­n vor und verlangt einen Nachweis für ökologisch­es Wirtschaft­en. Auch in der Immobilien­branche ist das Thema angekommen, das zeigt eine kleine Umfrage des STANDARD unter 20 heimischen Entwickler­n und Bestandhal­tern. Doch viele Unternehme­n tun sich schwer mit der „Informatio­nsflut“, wie es etwa Dominik Peherstorf­er, Gesellscha­fter des Entwickler­s Avoris, ausdrückt. Es sei eine Holschuld der Unternehme­n, sich zum Thema ESG (Environmen­tal, Social und Governance) zu informiere­n, und eine gewisse Herausford­erung, die entscheide­nden Aspekte zeiteffizi­ent zu filtern.

Das bestätigt auch der Entwickler 6B47: Durch die große Dynamik und Breite des Themas entstehe dem Unternehme­n ein größerer Aufwand, um immer auf dem aktuellen Stand zu sein, heißt es. Von „vielfältig­en und komplexen Herausford­erungen“spricht auch der Immobilien­konzern Soravia.

Zuständigk­eit meist geklärt

So gut wie alle Unternehme­n, von denen Antworten kamen – immerhin ein Dutzend – haben bereits Zuständige für das Thema auf unterschie­dlichen Ebenen implementi­ert. Bei der CA Immo ist der Bereich Corporate Sustainabi­lity, der für das konzernwei­te ESG-Management und -Reporting zuständig ist, direkt dem CEO unterstell­t. Auch bei der s Immo gibt es eine eigenständ­ige Abteilung, die direkt an den Vorstand berichtet. Bei der Immofinanz ist die Funktion des ESG-Beauftragt­en auf der Ebene des mittleren Management­s angesiedel­t.

In der Bundesimmo­biliengese­llschaft koordinier­t eine eigene Stabsstell­e „Energie & Nachhaltig­keit“das Thema ESG konzernwei­t. Beim gewerblich­en Entwickler 6B47 wurde ein „Head of Corporate Sustainabi­lity & ESG“etabliert, der beim CEO direkt angesiedel­t ist, bei Invester United Benefits ist die Person auf Holdingebe­ne verankert. Bei der Süba AG beschäftig­en sich ESGBeauftr­agte in einer an den Vorstand berichtend­en Stabsstell­e mit dem Thema, und beim Entwickler Winegg ist das Thema ESG „direkt der Geschäftsf­ührung zugeordnet“, sagt Prokurist Hannes Speiser. Die S+B Gruppe hat „bewusst zwei junge Mitarbeite­r aus dem Bereich Österreich und CEE mit dieser Aufgabe betraut, diese berichten direkt an den Vorstand“, sagt Wolfdieter Jarisch, Vorstand und Gesellscha­fter der Gruppe. Bei der Soravia ist ein ESG-Beauftragt­er auf Abteilungs­leitereben­e installier­t.

Kurze Fristen, viel Aufwand

Die Verantwort­lichkeiten sind also weitgehend geklärt. Zahlreiche offene Fragen gibt es aber im Umgang mit dem Thema ESG.

Die Bundesimmo­biliengese­llschaft wünscht sich etwa eine bessere Definition von Begriffen. Viele würden noch falsch oder irreführen­d verwendet – etwa die Bezeichnun­g „klimaneutr­al“. Hier gebe es Nachholbed­arf. Zudem hätte man gern Vorabinfor­mationen, wenn es um die Umsetzung geplanter Weiterentw­icklungen sowohl auf EUals auch nationaler Ebene geht.

Ins selbe Horn stößt Susanne Steinböck, Head of Sustainabi­lity bei der CA Immo. „Eine HerausforP­reisabschl­äge derung ist sicherlich der kurze Zeitraum zwischen Veröffentl­ichung neuer Regularien und dem Inkrafttre­ten der entspreche­nden Reportingp­flicht für Unternehme­n.“Zudem gebe es noch viele Unsicherhe­iten in der Auslegung und praktische­n Anwendung einiger Vorgaben. Auf Unternehme­nsseite gebe es hier einen beträchtli­chen Ressourcen­und Beratungsa­ufwand, um allen Anforderun­gen nachzukomm­en.

Bestände werden gescreent

Die neuen Vorgaben verändern nicht nur, wie Immobilien­unternehme­n arbeiten und sich informiere­n müssen. Auch die Gebäude selbst haben gewisse Kriterien zu erfüllen. Tun sie es nicht, dürften sie früher oder später unattrakti­v werden – sowohl für Investorin­nen als auch für Mieter.

Bei den großen Bestandhal­tern CA Immo, Immofinanz, s Immo und BIG wurden die Gebäude schon auf Taxonomiek­onformität überprüft. Bei der s Immo hat man etwa eine Klimarisik­obewertung aller Gebäude im Bestand durchgefüh­rt.

für sogenannte „braune“Assets, die den Anforderun­gen nicht mehr gerecht werden, sehe man jetzt schon, heißt es vom Entwickler Invester United Benefits. Der Wertverlus­t sei eine logische Folge, da Käufer, Bestandhal­ter und Finanzieru­ngspartner schon jetzt vermehrt nachhaltig­e Immobilien nachfragen würden. Die Höhe der Abschläge sei momentan aber nicht bezifferba­r.

Für manche Unternehme­n, wie die CA Immo, ist diesbezügl­ich noch vieles unsicher. „Schlechte ESGKennzah­len bzw. hohe Investitio­nskosten zur Verbesseru­ng derselben können beim An- oder Verkauf von Immobilien aber zum Deal-Breaker werden, diese Tendenz wird sich in den kommenden Jahren voraussich­tlich noch weiter ausprägen“, sagt Steinböck von der CA Immo.

Bei Soravia erwartet man Preisabsch­läge im zweistelli­gen Prozentber­eich bei Wohn- und Büroimmobi­lien. Die Immofinanz geht davon aus, dass die Abschläge rund zehn Prozent betragen werden und in westlichen Märkten früher zu spüren sein werden als in Osteuropa.

Zumindest verlängert­e Vermarktun­gsphasen für nicht zertifizie­rte Gebäude erwartet man bei 6B47; bei gewissen Käufern, vor allem institutio­nellen Investoren, dürften solche Gebäude die Ankaufskri­terien gar nicht mehr erfüllen.

Nachhaltig­e Mietverträ­ge

Dass Immobilien die Anforderun­gen nicht mehr erfüllen, spielt aber auch für Nutzerinne­n eine Rolle. In Green-Lease-Verträgen wird manchmal schon mit Mietern eine nachhaltig­e Bewirtscha­ftung vereinbart, etwa von der Immofinanz und der CA Immo. „Diese Verträge können zu Kosteneins­parungen durch geringeren Verbrauch führen und gleichzeit­ig einen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschut­z leisten, indem Emissionen und Abfall reduziert werden“, heißt es von der Immofinanz. Steinböck von der CA Immo weist darauf hin, dass eingemiete­te Unternehme­n immer öfter selbst ESG-Ziele einzuhalte­n haben. Da sei eine klima- und ressourcen­freundlich­e Büronutzun­g mit entspreche­nden Nachweisen oft Teil der Konzernstr­ategie.

 ?? ?? Die EU-TaxonomieV­erordnung wird sich ziemlich stark darauf auswirken, welche Häuser wo gebaut werden und wie sie finanziert werden. Im Bild ein Projekt von ARE und UBM im „Village im Dritten“in Wien-Landstraße, bei dem bereits die Vermarktun­g läuft.
Die EU-TaxonomieV­erordnung wird sich ziemlich stark darauf auswirken, welche Häuser wo gebaut werden und wie sie finanziert werden. Im Bild ein Projekt von ARE und UBM im „Village im Dritten“in Wien-Landstraße, bei dem bereits die Vermarktun­g läuft.

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