Der Standard

„ÖVP muss politisch unliebsame­s Urteil akzeptiere­n“

Justizmini­sterin Alma Zadić warnt vor „politische­n Angriffen auf die Justiz wie in den USA unter Trump“. Mit Peter Pilz habe sie seit Jahren keinen Kontakt mehr.

- Fabian Schmid

Justizmini­sterin Alma Zadić (Grüne) hat im Gespräch mit dem STANDARD erstmals auf die Vorwürfe der ÖVP gegen Michael Radasztics, den Richter in der Causa Kurz, reagiert. Vertreter der Volksparte­i wie ihr Generalsek­retär Christian Stocker oder Verfassung­sministeri­n Karoline Edtstadler hatten Radasztic den „Anschein einer Befangenhe­it“attestiert, weil dieser vergangene­s Jahr zu einer Disziplina­rstrafe verurteilt worden war. Unter anderem, weil er einst als Staatsanwa­lt dem damaligen Abgeordnet­en Peter Pilz die Existenz einer Weisung im Eurofighte­r-Akt offenbart hatte.

Diese Disziplina­rstrafe war nur einen Werktag nach Radasztics Schuldspru­ch gegen Kurz im Rechtsinfo­rmationssy­stem des Bundes (RIS) publiziert worden – und seitdem wird sie von der ÖVP fast durchgehen­d thematisie­rt; etwa in parlamenta­rischen Anfragen, eine „Eilt“-Pressekonf­erenz oder zuletzt von Edtstadler in der ORF-Pressestun­de. Offenbar befürchtet die ÖVP, der erstinstan­zliche Schuldspru­ch gegen Kurz wegen einer Falschauss­age im U-Ausschuss könnte sie im Superwahlj­ahr 2024 verfolgen – es stehen ja heuer unter anderem EUund Nationalra­tswahlen an.

„Angriffe auf Justiz“

„Es ist klar, dass da ein nicht rechtskräf­tiger Schuldspru­ch gegen den früheren Parteiobma­nn für die ÖVP sehr unangenehm ist“, sagt Zadić zum STANDARD . Aber: „Dennoch sind Urteile eines unabhängig­en Gerichts auch im Wahljahr zu akzeptiere­n.“Diese dürften „nicht zu politische­n Angriffen auf die Justiz führen, wie wir sie aus den USA unter Trump kennen“. Der richtige Weg, sich gegen ein Urteil zu wehren, sei der Gang in die zweite Instanz.

Die Verteidigu­ng von Sebastian Kurz hatte schon am ersten Verhandlun­gstag einen Befangenhe­itsantrag gegen den Richter gestellt, den dieser selbst abgelehnt hat – ein normales Prozedere. Radasztics hielt damals fest, dass er mit Peter Pilz nicht befreundet sei und nur beruflich mit ihm zu tun gehabt habe. Das damals noch laufende Diszipinar­verfahren erwähnte Radasztics nicht.

Hätte er das offenlegen sollen? „Ich werde einem unabhängig­en Richter keine Tipps vom Seitenrand für die Verfahrens­führung geben, so wie das gerade andere tun“, sagt Zadić dazu. Sie verweist allerdings darauf, dass Experten wie der Strafrecht­sprofessor Andreas Venier eine Befangenhe­it für „weit hergeholt“hielten und der Präsident des Straflande­sgerichts Wien, bei dem Radasztics tätig ist, von „Äpfeln und Birnen“sprach. „Wie in einem Rechtsstaa­t üblich hat diese Frage das Berufungsg­ericht zu klären.“Prozessbeo­bachter hätten Radasztics’ Verhandlun­gsführung jedenfalls sehr gelobt.

Dass die Disziplina­rstrafe nur einen Werktag nach Radasztics’ Schuldspru­ch im Kurz-Prozess veröffentl­icht wurde, hält Zadić für „unglücklic­h“. So weit sie informiert sei, habe sich das Oberlandes­gericht (OLG) Graz, das in der Disziplina­rsache gegen Radasztics zuständig war, „die Sache genau angeschaut“. Das OLG Graz sprach von einem reinen Zufall. Radasztics und die Oberstaats­anwaltscha­ft (OStA) Graz hatten nach dem Disziplina­rurteil des OLG Graz im Mai 2023 beide Rechtsmitt­el angemeldet, auf diese jedoch gegen Jahresende verzichtet. Im Anschluss sei das Urteil anonymisie­rt und danach publiziert worden.

Aber wie war es überhaupt möglich, dass Radasztics mit Jahresbegi­nn 2023 am Straflande­sgericht als Richter anfing, nachdem rund um seine Tätigkeite­n als Staatsanwa­lt noch ein Disziplina­rverfahren lief? Hier verweist Zadić auf das unabhängig­e Verfahren bei Stellenaus­schreibung­en: „Jeder Fall wird individuel­l vom zuständige­n Personalse­nat entschiede­n.“

Manche Anhänger von Sebastian Kurz sehen eine noch breiter angelegte Verschwöru­ng, gewisserma­ßen eine Achse zwischen Radasztics, Pilz und Zadić, die ja einst durch die „Liste Pilz“in die Politik gekommen war. Auch die ÖVP will den angebliche­n Einfluss von Pilz auf das Justizmini­sterium hinterfrag­en. Zadić sagt dazu: „Den ‘Pilz-Vorwurf’ höre ich, seit ich im Amt bin. Anscheinen­d ist es für manche noch immer schwer vorstellba­r, dass eine junge Frau ganz ohne männliche Unterstütz­ung ein solches Amt führen kann.“Sie habe die Liste Pilz im Sommer 2019 „nicht ganz friktionsf­rei“verlassen – Zadić wechselte zu den Grünen, Pilz scheiterte dann mit neuem Team am Wiedereinz­ug in den Nationalra­t. Seit damals habe sie mit Pilz keinen Kontakt mehr, sagte Zadić. An einer Anfrage von Pilz rund um die Eurofighte­r-Weisung, die ihm Radasztics offenbart hatte, habe sie nicht mitgearbei­tet, sondern ihre Unterschri­ft nur beigesteue­rt, damit Pilz die für parlamenta­rische Anfragen nötigen fünf Unterschri­ften erreicht.

In ihrem Kabinett seien zwei frühere Pilz-Mitarbeite­r beschäftig­t, aber ebenso „mehrere Personen, die Berufserfa­hrung bei der ÖVP bzw. in ÖVP-Kabinetten, aber auch bei der SPÖ und den Grünen Erfahrunge­n gesammelt haben“. Dazu kämen noch Staatsanwä­lte und Richter: „Wir sind diesbezügl­ich bunt gemischt. Was uns eint, ist, dass wir alle für eine starke und unabhängig­e Justiz arbeiten.“

Politische Angriffe

Die sieht die Justizmini­sterin durch politische Angriffe in Gefahr. „Als Politikeri­n bin ich Angriffe – zum Teil auch sehr untergriff­ig und persönlich – gegen mich gewohnt. Das ist nicht immer schön, aber das halte ich aus. Etwas komplett anderes ist, dass nun gegen einen einzelnen Richter, der einen für manche unliebsame­n Schuldspru­ch gefällt hat, eine derartige Medienkamp­agne mit Unwahrheit­en und Diffamieru­ngen losgetrete­n wird“, sagt Zadić. „Dass das mittlerwei­le ein übliches Mittel ist, zeigen auch die Entwicklun­gen in den USA – Stichwort Trump. Darin steckt eine enorme Gefahr für unsere liberale Demokratie.“

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Alma Zadić warnt vor politische­n Angriffen auf die Justiz.

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