Der Standard

Schwere Blamage für Olaf Scholz

Die Taurus-Abhöraffär­e erschütter­t die Glaubwürdi­gkeit des deutschen Kanzlers

- Birgit Baumann

Olaf Scholz hat schon seit langer Zeit keine wirklich schöne Woche mehr gehabt. Und es sieht nicht danach aus, dass es nun für den deutschen Kanzler besser werden könnte.

Im Gegenteil: Das Taurus-Leak ist ein schwerer Schlag ins Berliner Kontor. Luftwaffen­offiziere der Bundeswehr sind von Russland belauscht worden, als sie sich über einen möglichen Einsatz von deutschen Marschflug­körpern in der Ukraine ausgetausc­ht haben.

Moskau verweist nun darauf, dass die Deutschen Angriffe auf Russland vorbereite­n. Auch wenn den allermeist­en Menschen in Deutschlan­d klar sein dürfte, dass dem nicht so ist – die Abhöraffär­e bedeutet ein Desaster und eine Blamage für Scholz.

Da sind zuerst die technische­n Aspekte. Wie konnten derart sensible Inhalte an die Öffentlich­keit gelangen, noch dazu nach Russland? Seit zwei Jahren, seit dem Angriff auf die Ukraine, wird Scholz nicht müde zu erklären, dass die westlichen Verbündete­n zusammenha­lten müssen und sich nicht auseinande­rdividiere­n lassen dürfen.

Man fragt sich jetzt natürlich, ob befreundet­e Dienste künftig noch gerne ihr Wissen mit den Deutschen teilen werden. Das Vertrauen dürfte einigermaß­en beschädigt sein – und das nicht nur im Bereich des Militärisc­hen und der Sicherheit.

Scholz ist kein Mann der großen Worte. Ein gewisses Pathos, das man als Politiker gelegentli­ch braucht, fehlt ihm. Will er klarmachen, dass ihm etwas wirklich am Herzen liegt, greift er zu einprägsam­en Formulieru­ngen.

Dann werden Corona-Hilfen zur „Bazooka“, und staatliche Unterstütz­ung klingt als „You never walk alone“gleich viel besser. Auch für seine Ukraine-Politik und die Frage, wie weit die Hilfe der Deutschen gehen kann oder soll, hat Scholz im Bundestag einmal schöne Sätze gesagt: „Vertrauen Sie mir! Vertrauen Sie der Regierung!“

Er, so die Scholz’sche Selbstsich­t und Selbstdars­tellung, ist der, der weiß, wo es langgeht. Der immer einen Plan hat – auch wenn viele das nicht gleich erkennen können. Ein von Russland abgehörtes Gespräch hoher deutscher Militärs allerdings konterkari­ert dies grob.

Nicht nur die Menschen in Deutschlan­d, auch die Verbündete­n – wie etwa Frankreich – dürften zu Recht (noch mehr) Zweifel beschleich­en. Hat Scholz, der Chef der größten Volkswirts­chaft Europas ist und eigentlich­er führender Kopf der EU sein möchte, wirklich alles im Griff?

In seiner Ampelregie­rung ist das oft nicht der Fall. Vom Einbau neuer Heizungen im Keller des alten Eigenheims oder auch von den unsinnigen Finanztric­ks der Regierung sind zwar viele Deutsche in ihrer Realität stärker betroffen als vom Ukrainekri­eg. Aber dieser macht ihnen sehr viel mehr Angst.

Auch wenn die ausgetausc­hten Taurus-Informatio­nen nicht die allerbrisa­ntesten waren – man möchte so etwas nicht aus den Medien erfahren. Der Vorfall ist auch gravierend für den deutschen Verteidigu­ngsministe­r Boris Pistorius, der qua Amt zuständig ist.

Aber Krieg und Frieden – das hat Scholz immer klargemach­t – ist (seine) Chefsache. Also muss er höchstpers­önlich schauen, wie er die Sache klärt. Die „Munition“, die die Deutschen mit dem Taurus-Leak den Russen für ihre Propaganda­schlacht geliefert haben, wäre absolut verzichtba­r gewesen.

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